Reispudding mit Zimt (German Edition)
nach kurzem Suchen, was ich brauche: eine Rolle großer Plastiktüten. Ich reiße eine Tüte ab und beginne, die Zeltkleider in sie hinein zu stopfen. Sicher gibt es irgendeine karitative Einrichtung der Kirche, die daran noch Interesse hat. Ich werde den Pfarrer anrufen müssen.
Ich arbeite mich immer weiter in die Untiefen des Kleiderschranks hinein, da finde ich ganz hinten Rechts ein paar Kleider, die wohl aus Claras schlanker Zeit stammen, Kleider, von denen sie sich wahrscheinlich aus irgendwelchen sentimentalen Gründen nicht trennen konnte. Spaßeshalber halte ich eins davon vor mich und sehe in den Spiegel.
Hm, denke ich, das könnte mir sogar passen.
Ich ziehe es an. Es ist ein unmögliches Modell aus den 50-er Jahren mit einem weiten, schwingenden Petticoat. Ich sehe darin aus wie Billie Jean. Schnell ziehe ich es wieder aus und will es mit in den Plastiksack stopfen, doch dann zögere ich. Immerhin handelt es sich mit Sicherheit um ein echtes „Vintage“ Modell. Bei Ebay könnte man dafür vielleicht noch etwas dafür bekommen. Ich lege es behutsam auf das Bett und suche weiter.
Da finde ich ein Kleid, das in die Kategorie „kleines Schwarzes“ passt. Es ist aus einem leichten Stoff mit einem ziemlich tiefen Dekolleté. Im Gegensatz zu dem Petticoatkleid ist es schmal und körpernah geschnitten. Ich schlüpfe hinein und betrachte mich im Spiegel.
Wow. Es sieht richtig, richtig gut aus. Es sitzt an mir, als wäre es für mich geschneidert worden. Ich sehe darin irgendwie elegant aus, wie eine Schauspielerin oder so. Clara hat schon einen guten Geschmack gehabt und sie hat sich nicht gescheut, etwas dafür auszugeben. So ein Kleid habe ich noch nie besessen.
Eigenartig. Seit dem Nachmittag, als ich mit Chris so herrlich schwimmen war, bin ich nicht wieder so positiv gestimmt gewesen, wie jetzt, als ich mich in dem Kleid im Spiegel betrachte.
Ich bin schön. Ich bin jung. Ich habe ein eigenes Haus. Ich kann gut kochen. Die Welt steht mir offen.
Das Kleid scheint mir zuzuflüstern: „Kopf hoch, Anna! Gib nicht auf! Alles wird gut. Du wirst neue, tolle Männer kennenlernen. Du wirst eine neue tolle Anstellung finden, warte es nur ab.“
Okay, Kleid, sage ich ihm. Danke für den Tipp. Und weil so mich so aufmunterst, darfst du endlich mal wieder aus deinem dunklen Schrank heraus, und ich ziehe dich am Sonntag in die Opernpremiere an.
Ich muss über mich schmunzeln. Wie bekloppt ist das denn? Ich unterhalte mich tatsächlich mit einem Kleid. Das liegt wohl am Stress.
Allmählich macht mir das Herumkramen in Claras Zimmer Spaß. Eigentlich müsste ich ein schlechtes Gewissen haben, denke ich. Aber andererseits, hätte Clara es nicht genauso gewollt? Hat sie das Haus nicht ausgerechnet mir vermacht, weil sie mir damit eine Freude machen wollte?
Ich ziehe ihre Nachttischschublade auf. Da ist ihr Schmuckkästchen. Halt. Darf ich das aufmachen? Ist der Inhalt davon wirklich auch im Erbe mit eingeschlossen? Aber der Anwalt hat gesagt: „Das Haus mit seinem kompletten Inventar“.
Mit bebenden Händen öffne ich das Kästchen. Darin liegen verschiedene Ringe und Ketten. Mama wird sich sicher über etwas davon freuen. Eine paar Ohrhänger fallen mir ins Auge. Sie sind nichts Edles, nur Modeschmuck, aber es sind lange Tropfen, die mit funkelndem Strass besetzt sind. Ich stecke sie in meine Ohrläppchen und sehe in den Spiegel. Perfekt!
Wieder spüre ich, wie so etwas wie neue Lebensfreude in mir aufkeimt. Kaum traue ich, mir es selber zu zugeben, aber ein klitzekleines bisschen freue ich mich jetzt schon auf Sonntag. Falls Chris mich auch nur aus der Ferne in diesem Outfit erblicken sollte, denkt er sicher weiter, dass ich dumm, stolz und gemein bin, aber hässlich, das bin ich wenigstens nicht. Ich ziehe das Kleid aus, hänge es behutsam über einen Bügel und ziehe mir meine Jeans und mein T-Shirt wieder an.
Ich krame und räume und stopfe Sachen in die Tüten, bis mein Magen knurrt.
Ich überlege, ob ich zu Gladys zurück gehen soll, um dort etwas zu essen, entscheide mich aber dagegen. Jetzt, da ich mit dem Aufräumen in Claras Haus angefangen habe, habe ich mit einem Mal große Lust, weiterzumachen. Die Arbeit tut mir gut. Sie lenkt mich von meinen finsteren Gedanken ab. Außerdem muss ich sie sowieso früher oder später erledigen. Gut, dass ich damit angefangen habe.
Also gehe ich einfach an den Strand zu Freddys Stand. Der begrüßt mich freudig und fängt gleich an, eine Essensportion für
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