Reitclub Wedenbruck
Käufer zu sehen.
Da auch Zottel nicht gern länger im strömenden Regen spazierenging, war ihm dieser Weg hochwillkommen. Er sah sich alles an, beschnupperte es ausgiebig, brummte unzufrieden, weil unter all diesen großzügig auf der Straße aufgebauten Dingen nicht ein einziger Stand mit Eßbarem zu finden war, ließ im Vorüberstreifen einen Sonnenhut mitgehen, der sich ihm schräg übers Ohr hängte, und bummelte weiter.
Am Ende der Straße wurde es interessanter. Das etwas zurückliegende Haus beherbergte ein Lebensmittelgeschäft mit eigener Gärtnerei. Zwischen zwei Glashäusern erstreckten sich Beete mit frischem Salat, Mohrrüben, Kräutern und Erdbeeren, die schienen einer näheren Untersuchung wert. Zottel schritt gemächlich zur Tat.
Drinnen im Laden redete die rundliche Verkäuferin mit einer Kundin, die Zottel entfernt an einen umgedrehten Stallbesen mit Beinen erinnerte, so mager war sie. Nun, das war nicht sein Problem, er bevorzugte den schnellen, direkten Weg der Selbstbedienung. Und da ein anspruchsvoller Kunde die Ware zunächst auf ihre Qualität hin prüft, bevor er sich entscheidet, nahm er erst einmal von allem eine kleine Kostprobe. Danach beschloß er, mit dem Dessert zu beginnen: den Erdbeeren.
„Ja, ich will Sie nicht weiter aufhalten“, sagte die Stallbesen-Frau, die ein Stück Strohhut vor dem Fenster vorbeischweben gesehen hatte, „da draußen wartet Kundschaft. Aber wie ich schon sagte, der Prozeß der Umstellung ist schwer, wenn man es mit einer Familie zu tun hat, die gewohnt ist, nur wertloses Zeug in sich hineinzustopfen! Ich kämpfe seit Jahren Tag für Tag, aber der Erfolg bleibt auch weiterhin aus. Die Kinder wollen ihre Pommes frites mit Ketchup und Pudding, mein Mann Brot und Wurst oder Fleischsalat mit viel Mayonnaise. Dabei ist er doch intelligent. Wie oft sage ich ihm, Willi, sage ich, denk an deine Cholesterinwerte...“
Die Frau sprach sehr schnell und ohne Unterbrechung, sie fesselte die Aufmerksamkeit der Verkäuferin auf eine Weise, die es Zottel erlaubte, in aller Ruhe zu genießen. Der Regen hatte nachgelassen, ein frischer Wind trieb die Wolken auseinander, und Zottel beschloß, sich jetzt den biologisch gezogenen Möhren zuzuwenden. Im Laden ließ sich der Stallbesen noch eine Tüte Leinsamen und ein Pfund Sonnenblumenkerne geben.
Die Möhren ließen sich zwar leicht aus der regennassen Erde ziehen, mußten aber erst gereinigt werden, damit ihr natürlicher Geschmack nicht von allzuviel Lehm beeinträchtigt wurde. Dazu eignete sich der Strohhut, der ihm längst vom Kopf gerutscht war, ausgezeichnet. Zottel schlenkerte das Gemüse mehrmals von einer Seite zur anderen über das rauhe Material, und der Strohhut sah bald aus wie ein Maulwurfshaufen, während die Möhren etwas von ihrer natürlichen Farbe ahnen ließen.
Der Stallbesen-Frau, schon im Gehen, fiel ein, daß sie noch ein paar Müsliriegel und Haferkekse mitnehmen könnte.
Das Möhrenbeet sah jetzt aus wie frisch gepflügt. Zottel warf ihm einen letzten prüfenden Blick zu und begab sich zum Salat, als Höhepunkt seiner Mahlzeit, denn der präsentierte sich ihm bereits frisch gewaschen. Eine Köstlichkeit!
Ein paar getrocknete Feigen fehlten der Stallbesen-Frau noch, dann mußte sie wirklich gehen.
Zottel war angenehm gesättigt, zumindest für den Augenblick. Er setzte einen Haufen frischer Pferdeäpfel neben den Maulwurfshaufen, sozusagen als Visitenkarte, und bog um die Hausecke, gerade in dem Augenblick, als die Stallbesen-Frau, beladen mit prall gefüllten Netzen, den Naturkostladen verließ. Sie schrie auf und blieb erschrocken stehen.
Freundlich brummend grüßte Zottel zutraulich zurück.
„Bleib mir bloß vom Leibe, du, ich bin allergisch gegen Pferdehaare! Wieso läufst du hier überhaupt frei herum?“
Diese Frage überhörte Zottel, doch er blieb höflich stehen und ließ die Stallbesen-Frau vorbei. Nur ein ganz klein bißchen reckte er die Nase, um festzustellen, was sich in den Einkaufsnetzen befand. Die Sinfonie aus Düften regte seinen Appetit von neuem an, und er beschloß, diese Verheißung keinesfalls aus den Augen zu lassen. Er begann, die Frau unauffällig zu beschatten, indem er ohne Hast, und in gebührendem Abstand, hinter ihr hertrottete.
Aha, da drüben in dem Eckhaus also wohnte sie. Sie ging über die Terrasse ins Haus, denn die Türen standen weit offen. Auf dem überdachten Vorplatz dort waren wohl ihre Kinder, obwohl sie ihr überhaupt nicht ähnlich sahen,
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