Reitclub Wedenbruck
noch eine weitere Seite seines Könnens, von der sie bisher nichts geahnt hatten.
Und dann war da noch das Problem der Geschenke.
Natürlich hatten Daniel und Joy eine Liste aufgestellt, aus der man entnehmen konnte, was ihnen für ihren zukünftigen Haushalt fehlte. Aber schließlich sollte das Geschenk etwas Besonderes sein, eine wirkliche Überraschung. Stundenlang berieten sie darüber, machten Vorschläge und verwarfen sie wieder und begannen von neuem zu grübeln.
Es war verständlich, daß Bille in diesen arbeitsreichen und aufregenden Tagen nicht viel Zeit für Zottel hatte. Der Zottel-Fanclub glich das zwar zum Teil wieder aus, andererseits waren die jüngsten Internatler selbst intensiv mit Proben und Vorbereitungen für das Schulturnier beschäftigt.
So verbrachte Zottel einen großen Teil seiner Zeit mit Moischele auf der Koppel oder leistete in Groß-Willmsdorf seinem Freund Black Arrow Gesellschaft.
Den sonnigen Wochen folgte der langersehnte Regen. Natürlich hofften sie, daß er sich bis zum Turnier verzogen haben würde, aber die Felder, Weiden und Gärten waren so ausgetrocknet, daß jeder das erfrischende Naß erleichtert begrüßte.
Zottel mußte sich an diesem Tag damit abfinden, bei Black Arrow in der Box eingestellt zu werden. Die beiden mochten sich; schließlich sahen sie sich nur noch selten, und es schien, als hätten die beiden sich viel zu sagen. Sie benagten sich zärtlich, fraßen brüderlich Kopf an Kopf aus einer Krippe und dösten eng aneinandergelehnt, während draußen der Regen in langen Strippen vom Himmel rauschte.
Langweilig wurde es Zottel erst, als Bille Black Arrow zur Arbeit in die Halle holte. Daß er ihr dabei nicht Gesellschaft leisten konnte, das wollte Zottel absolut nicht einsehen, er trat ärgerlich gegen die Boxentür.
„Nun beruhige dich, Junge, es dauert ja nicht lange“, tröstete Bille ihren Liebling. „In einer Stunde sind wir zurück, dann werde ich mich ganz besonders um dich kümmern. Hier, da hast du noch etwas zum Trost.“
Bille holte ein Stück Pferdezucker aus der Hosentasche und hielt es ihm hin. Zottel fand eines entschieden zu wenig, aber die anderen waren für Black Arrow bestimmt, da war nichts zu machen.
Mirko hatte sich in Groß-Willmsdorf inzwischen gut eingelebt und wußte in allen Bereichen des Betriebes Bescheid. Doch da gab es immer noch das eine oder andere, das seiner Kenntnis bisher entgangen war. Dazu gehörte das Wissen um Zottels Leidenschaft für einsame Spaziergänge. So dachte er sich nichts dabei, als er in die Box trat, um den Mist aufzusammeln, das Stroh aufzulockern und dabei die Boxentür offenließ. Auch daß Zottel inzwischen auf die Stallgasse hinaustrat, um ihm höflich Platz zu machen, fand er nicht weiter beunruhigend. In Lipica hatten sie hin und wieder Ponys gehabt, die frei auf dem Hof herumlaufen durften, ohne daß sie sich jemals vom Anwesen entfernt hätten. Und daß Zottel die Lust überkommen könnte, in den Regen hinauszuspazieren, das hielt er schlicht für unmöglich.
So war Mirko höchst erstaunt, als er seine Arbeit beendet hatte und aus der Box trat, das Pony nirgends vorzufinden. Doch auch jetzt war er noch nicht wirklich besorgt. Vermutlich war Zottel zur Reithalle hinüberspaziert, um Bille zu suchen. Oder er stand unter dem Vordach der Scheune und schnappte ein wenig frische Luft. Er würde schon wieder auftauchen.
So unbehelligt hatte Zottel noch nie den Hof verlassen können. In aller Offenheit trabte er die Allee hinunter in Richtung Wedenbruck, blieb hin und wieder stehen, um am Straßenrand ein paar Gräser abzurupfen, die im Regen besonders saftig schmeckten, und hatte bald das Dorf erreicht.
Die Hauptstraße mied er, das gebot die Klugheit, das wußte er. Außerdem waren die verheißungsvollsten Entdeckungen stets in den verborgenen Winkeln zu finden. Er schlug den heckenumsäumten Weg ein, der außen um das Dorf herumführte.
Hier hatte sich einiges verändert, seit Zottel zuletzt diesen Weg gegangen war. Es gab neue Häuser in kleinen Gärten, andere, die wie eine umgekippte Treppe aussahen, so waren sie aneinandergebaut; einen Dorfplatz in der Mitte mit einem sehr großen Gebäude, das von Terrassen umgeben war; außerdem eine Straße mit bunten Läden, vor denen Ständer mit Sonnenhüten, Sonnenbrillen, aufgeblasenen Gummitieren, Gummibooten, aber auch Gummistiefeln und Regenmänteln standen, geschützt von einem weit überstehenden Dach. Jetzt, in der Mittagsstunde, war kein
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