Reiterferien am Meer
Erfahrung gesammelt und konnte Hindernisse besser abschätzen denn je. Ich hatte das bestimmte Gefühl, dass wir heute so gut aufeinander eingespielt waren wie nie zuvor.
Dennoch brauchten wir natürlich auch ein bisschen Glück.
Ohne alle Hast, jedes Hindernis sorgfältig betrachtend, genau Maß nehmend, mit gespitzten Ohren, vollführte Misty makellose Sprünge.
Immer wieder kam Beifall auf, während wir einen Zaun nach dem anderen buchstäblich überflogen. Soeben hatten wir den Dreier mühelos genommen und galoppierten, nun in der Mitte des Feldes, auf das Gatter zu. Misty nahm es, ebenso die dicht dahinter errichtete Mauer. Dann ging es durchs Ziel. Ohne Fehler!
Niemand sonst kam fehlerfrei über die Runde. Wir hatten gesiegt! Was für ein Glück!
Nie im Leben war ich so stolz auf meinen lieben Misty gewesen wie in diesem Augenblick.
Als Nächstes kam das offene Springen der mittelgroßen Pferde. In dieser ziemlich schwierigen Disziplin hatten Misty und ich uns noch nicht versucht, und obendrein war mir bekannt, dass wir gegen erfahrene, tüchtige Konkurrenz antreten mussten. Außer Don mit Corker, Angela auf Blenheim und Brian auf Harkaway gingen sieben weitere Reiter an den Start.
Misty und ich kamen als Erste dran. Die Hindernisse waren dieselben wie vorhin, nur hatte man sie alle um sechs Zoll höher gemacht, und die Mauer wirkte auf diese Weise ausgesprochen respektabel und schrecklich hoch. Doch das machte Misty überhaupt nichts aus. Er war nun einmal in Hochform, und das spürte er selbst ganz deutlich. Wieder flog er über ein Hindernis nach dem anderen und vollbrachte die zweite fehlerlose Runde des Tages.
Die Zuschauer jubelten. Misty, mein graues Pferd, wurde der Liebling aller, der Favorit des Turniers!
Auch Corker bekam viel Beifall, weil er einen ausgesprochen charaktervollen Eindruck machte. Vor jedem Hindernis schien er bedächtig abzuwägen, nahm es sodann, ohne einen einzigen Zentimeter zu vergeuden, kam sicher auf, schlug am Boden mit den Hinterbeinen kurz und fröhlich aus – und galoppierte leichtfüßig weiter, dem nächsten Hindernis entgegen.
Auch er kam fehlerlos über die Runde.
Ich freute mich – für Don und sein Pferd.
Angela auf Blenheim machte vier Fehler, Harkaway zwei. Der Folly-Hof bewährte sich auf seinem ersten Turnier recht gut, und darüber war ich von Herzen froh. Familie Rowlands, nicht zuletzt Carol, durfte zufrieden sein mit dem Erfolg ihrer anstrengenden, tüchtigen Arbeit. Die auf dem Folly-Hof ausgebildeten Reiter und Pferde konnten sich sehen lassen, und dies würde sich schnell in der ganzen Gegend herumsprechen.
Plötzlich musste ich wieder an das denken, was ich vor lauter Aufregung vorübergehend ganz vergessen hatte: Hoffentlich hörte Carol doch noch auf, aus lauter Kummer über den Tod ihrer geliebten Mutter, sich gegen eine Verbindung von Di und Steve zu sträuben.
„Nummer vierzehn!“, rief es aus dem Lautsprecher. „Nummer vierzehn an den Start, bitte!“
„Los, Jackie, das bist du!“ Dons Stimme riss mich aus meinen Gedanken. „Du wirst aufgerufen; hast du nicht gehört? Los, an den Start!“
Ich holte tief Luft und versuchte, jeden anderen Gedanken als den ans Turnier zu verscheuchen.
„Jetzt kommt’s drauf an, Misty!“
Diesmal brauchten wir nur zwei Sprünge zu bewältigen. Doch die Hindernisse waren um weitere vier Zoll erhöht worden.
Aufmerksam betrachtete ich zuerst das Gatter und dann die Mauer. Beide waren grässlich hoch für ein Pony, und Misty war das kleinste Pferd, das sich noch im Rennen befand. Tapfer nahmen wir Anlauf. Fehlerfrei ging es über das Gatter. Weiter!
Die Mauer … nein, sie war zu hoch! Misty berührte sie mit den Hinterbeinen und riss einen Stein herunter. Pech gehabt, braves Pferd! Vier Fehler!
Corker berührte das Gatter und bekam ebenfalls vier Punkte abgezogen.
Sieger wurde der Sohn eines Gutsbesitzers auf einem kräftigen rötlichgrauen Schecken, viel größer als unsere Tiere, gerade noch zugelassen zu diesem Springen.
Immerhin errangen Don und ich den zweiten und dritten Platz. Der Folly-Hof hatte also wieder gut abgeschnitten.
Nun kam das offene Springen der Großen. Wir hatten unsere Leistung vollbracht, durften uns auf unseren Lorbeeren ausruhen und Carol die Daumen drücken, damit sie ebensolches Glück hatte wie wir und auch einen Erfolg heimbrachte.
Sie war die Vierte im Ring, und kaum war sie angeritten, da spürten wir, dass Starshine sich ebenso bewähren würde wie vorhin
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