Reiterferien am Meer
wusch, aufschaute. Als ihr Vater gerade in diesem Augenblick auftauchte, sah sie ihn herausfordernd an. „Das stimmt doch, nicht wahr, Vater? Du willst zum Turnier reiten.“
„Meine Versuche, es ihm auszureden, waren jedenfalls vergeblich“, sagte jetzt Tante Di, wobei sie ihren Blick besorgt vom Vater zur Tochter und zurück wandern ließ. „Ich finde das einfach zu riskant! Schließlich ist es etwas ganz anderes, gemütlich über die Heide zu reiten als über die heute bestimmt ziemlich verkehrsreiche Chaussee. Ich finde, er sollte es lieber lassen.“
„Das finde ich auch, Di!“ Ich beobachtete, dass Carol sehr dankbar war, dass Tante Di versucht hatte, den Vater zur Vernunft zu bringen. „Lebhafter Verkehr ist ganz gewiss nichts für einen Reiter, der nicht voll auf der Höhe ist.“
„Die beiden haben recht, Paps!“ Don legte seine Bürste aufs Fensterbrett. „Lass mich doch einen Transporter herbeitelefonieren! Dann könnt ihr beide wenigstens nach Sheepdown fahren.“
„Unsinn!“, rief Steve Rowlands eigensinnig. „Einen Transporter für fünf Kilometer! Meint ihr etwa, ich wüsste nicht, wohin mit meinem Geld?“
„Dann lassen Sie Lenny auf Golden Boy reiten“, schlug Tante Di vor. „Auch ohne den Ritt wird der Tag für Sie noch anstrengend genug werden. Sie müssen ständig stehen, fürs Fotografieren posieren, mit unzähligen Leuten reden und obendrein Golden Boy bei Laune halten.“
„Grund genug, dass ich vorher wenigstens meinen Spaß habe“, beharrte Steve. „Ich reite auf Golden Boy, basta!“ Streng schaute er Tante Di an. „Sie fahren mit Lenny im Landrover; wir treffen uns auf dem Sattelplatz. Übrigens, Di, bitte ich Sie herzlich, mich nicht zu gängeln! Das tut Carol schon zur Genüge.“
Hilflos schaute Tante Di zu Carol, über deren Gesicht ein leises Lächeln huschte. Bahnte sich ein Wunder an? Spann sich ein erstes dünnes Fädchen zwischen unserer Tante und dem Mädchen, dessen neue Mutter sie gerne sein würde?
Inzwischen hatten die Reitschüler ihre Pferde fertig. Jill Bennett stellte fest, dass die Verzierung am Sprungriemen ihres Pferdes sich zu lösen begann und bemühte sich, den Schaden zu beheben. Die einen riefen dies, andere das, ein allgemeines hektisches Durcheinander schien auszubrechen – bis endlich Tante Di mit kräftiger Stimme für Ruhe und Ordnung sorgte. Plötzlich kippte ein Wassereimer klirrend und platschend um, ausgerechnet dicht neben Golden Boy. Das Tier erschrak heftig, stieg hoch und trat nervös um sich.
„Siehst du, Vater!“ Carols Stimme klang erregt. „Golden Boy ist jetzt schon ganz durcheinander vor Aufregung. Ich flehe dich an, Paps: Reite nicht auf ihm zum Turnier! Das ist zu gefährlich – es könnte etwas geschehen, etwas ganz Schreckliches!“
„Blödsinn!“ Steve verlor endgültig die Geduld. „Gerade weil Golden Boy nervös ist, muss ich ihn reiten! Wenn er die Beine strecken kann, wird ihm schon besser werden. Er wird müde sein, und auf dem Sattelplatz können wir ein lammfrommes Pferd vorstellen. Das ist auch nötig, denn man wird ihn ansprechen, tätscheln, streicheln – und da darf er nicht zu munter und ausgeruht sein. Also, mein Kind, nimm dich zusammen! Und hör endlich auf, mich zu bevormunden.“
Entgegen meinen Erwartungen erhob Carol keinen weiteren Einspruch; doch dies lag vor allem daran, dass die Reitschüler inzwischen alle aufgesessen waren und die Kolonne sich in Bewegung setzte. Carol schwang sich auf Starshine, ich saß auf Misty, Don auf Corker und Babs auf Patch.
Stolz wie ein Stallmeister beim Sieger des Großen Preises, führte Lenny Golden Boy zum Aufstiegklotz und hielt das Pferd am Zügel fest, während Tante Di einsatzbereit auf der anderen Seite des Pferdes Posten bezogen hatte – für den Fall, dass das Pferd doch noch Dummheiten machte.
Steve Rowlands biss die Zähne zusammen, ergriff die Zügel, schwang sich hinauf und setzte sich im Sattel zurecht. Dann lenkte er das Pferd über den Hof an die Spitze der Kavalkade.
„Gebt alle gut acht!“, rief Tante Di mit lauter Stimme uns nach. „Auf Wiedersehen in Sheepdown!“
Als ich mich kurz darauf noch einmal umsah, stiegen die anderen gerade in den Landrover. Nur kurz konnte ich ihnen zuwinken, dann musste ich all meine Aufmerksamkeit auf Misty konzentrieren. Aufregung und Angst sind nun einmal ansteckend, und einige Pferde benahmen sich ziemlich nervös. Sogar mein Misty zerrte ungebärdig am Zügel.
„He, pass doch auf!“
Weitere Kostenlose Bücher