Reiterhof Birkenhain 03 - SOS Pferd verschwunden
dafür konnte sie nun wirklich nichts, schließlich kam sie direkt aus dem Büro.
Kai Jensen winkte seine Besucher in die Sattelkammer. Im Stall hatte sich die Nachricht von Jules Verschwinden wie ein Lauffeuer verbreitet. Die Stimmung schwankte zwischen Neugierde und Besorgnis. Auf jeden Fall brannte jedes Mädchen darauf, Neuigkeiten zu erfahren. Also musste man sich in Lauschnähe der Sattelkammer aufhalten. So ergab es sich, dass sechs Mädchen mit ihren Besen direkt davor zusammenstießen. Natürlich waren auch die Zwillinge Mia-Mathilde und Dina-Do-rothee Gerlach dabei und spitzten die Ohren.
»Haut bloß ab«, fauchte Conny die beiden an. »Ihr nehmt doch sonst auch keinen Besen in die Hand.« In diesem Augenblick wurde die Tür zur Sattelkammer von innen zugezogen.
Wenige Minuten später erschien Herr Jensen mit Ehepaar Ahrend und den Polizisten in der Tür und klatschte in die Hände. »Die beiden Herren möchten ein paar Fragen an euch stellen«, rief er die Stallgasse hinunter. Kai Jensen erklärte noch einmal kurz die Situation, während eilig aus allen Boxen Mädchen mit Putzzeug auftauchten.
Dann zückten die Beamten - sie stellten sich als Polizeimeister Günther Beck und Polizeiobermeister Karl Brammer vor - kleine Notizbücher und legten los.
Was die nicht alles wissen wollten!
Ob Jule Arger in der Schule hätte. Oder mit ihren Eltern. Ob sie einen Freund hätte. Wenn ja, ob sie sich mit dem verkracht hätte. Ob sie jemandem anvertraut hätte, wohin sie mit Sally reiten wollte. Und, und, und ...
Nein, von einem Freund wusste keines der Stallmädchen etwas. Bastian schwieg auch, aber er bekam einen roten Kopf. Er konnte wirklich nicht behaupten, dass er mit Jule ging. Aber er fand sie schon ziemlich gut. Obwohl es ihm jetzt einen Stich versetzte, dass sie nicht einmal ihm etwas von ihrem Fluchtplan erzählt hatte. »Höchstens . . .« Luisa Steffen traute sich nach vorn, warf einen Blick auf Jules Eltern und verstummte wieder.
Der ältere der beiden Beamten, Polizei Obermeister Brammer, beugte sich leise ächzend zu Luisa hinunter. Sein moosgrüner Blouson spannte über seinem ausladenden Bauch.
»Höchstens was?«, fragte er Luisa freundlich. »Du musst uns alles sagen, was du von Jule weißt. Es könnte sein, dass sie in Gefahr ist.«
»Höchstens . . .«, begann Luisa noch einmal, »dass sie sich mit ihren Eltern verkracht hat. Wegen des Stallverbots.« So, jetzt war es heraus.
Alle schwiegen betroffen. Peter Ahrend sah plötzlich verstört aus. »Was soll meine Tochter... Krach mit den Eltern?« Es schien ihm fast die Sprache zu verschlagen. »Das ist ja die Höhe! Erzählt Julia so etwas im Stall?« Luisa biss sich vor Schreck auf die Lippen. Hätte sie doch den Mund gehalten. Aber der Polizist nahm das zehnjährige Mädchen in Schutz. »Nun lassen Sie die Reiterin mal ausreden«, beschwichtigte er Jules Vater. Und zu Luisa gewandt: »Erzähl weiter.«
Luisa fasste sich ein Herz und sprudelte heraus, was Jule ihr unter Tränen anvertraut hatte. Mit fester Stimme schilderte sie jetzt den Polizisten, dass Sally Jules Lieblingspferd war. Und dass sie jeden Tag mit ihr zum Grasen ging, weil die Stute doch sonst nie auf die Weide kommen würde.
»Und das haben ihre Eltern verboten«, schloss sie ihren Bericht und heftete den Blick auf ihre Stiefel spitzen. Polizeimeister Günther Beck wandte sich an Jules Eltern. »Können Sie das bestätigen?«, fragte er.
Brigitte Ahrend sah den Polizisten an, als hätte sie seine Frage gar nicht verstanden. Sie hörte nur mit halbem Ohr hin. Unentwegt dachte sie an den heutigen Morgen, als sie Jule zuletzt gesehen hatte. Warum war ihr bloß nichts an ihrer Tochter aufgefallen?
»Nun gut«, Peter Ahrend ergriff das Wort. »Es hat da kleine Meinungsverschiedenheiten zwischen uns und Julia gegeben«, gab er zu. Uber schulische Anforderungen im Allgemeinen und über das Reiten im Besonderen. »Aber wir haben uns dann geeinigt, dass erst Julias Noten stimmen müssen, bevor sie wieder täglich in den Stall darf.«
In der Runde herrschte vollkommene Stille. Fast trotzig fügte er hinzu: »Das ist ja wohl nicht zu viel verlangt.« Dass er allein die Regeln bei dieser »Einigung« bestimmt hatte, sagte Herr Ahrend nicht. Aber das dachten sich sowieso alle, die ihn kannten.
Polizeiobermeister Brammer musterte den Bankangestellten aufmerksam. Angenehm war es sicher nicht für Peter Ahrend, hier im Stall als der große Spielverderber dazustehen. Oder noch
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