Reiterhof Birkenhain 03 - SOS Pferd verschwunden
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Jule stellte sich die ungläubigen Augen ihres Vaters vor, wenn er sie jetzt in dieser Bretterbude sehen könnte. Und das Gesicht ihrer Mutter, wenn sie feststellte, dass Pferdeunterstände keine Duschen haben ...
Wahrscheinlich würde sie sie nach der Rückkehr gleich zu Mr. Wash schleppen, in die Autowaschstraße von Großmoorstedt. Und sie von rotierenden WischmoppFetzen richtig abrubbeln lassen. Superschaum-Programm. Zweimal Vorwäsche und Glanzplus für die Haare.
Ihre Eltern mit ihrem Sauberkeitswahn! Sie bekamen regelmäßig zu Hause eine Krise, wenn Jule intensiv nach Holsteiner Stute duftete statt nach Duschgel. Oder wenn Jule mit Mist unter den Stiefeln in den Flur kam. »Willst du unsere Fliesen düngen?« Das war einer von Peter Ahrends Sprüchen, die sie nicht mehr witzig fand. Und unweigerlich folgte der Satz: »Ach, wärst du doch in der Schule genauso fleißig wie auf dem Reiterhof.« Nein, mit Pferden hatten ihre Eltern wenig im Sinn. Das Einzige, was sie interessierte, waren Jules Schulnoten. Als ob man gute Zeugnisse mit Stallverbot erzwingen könnte. Einfach lachhaft! Aber sie würden schon nachgeben, wenn ihre einzige Tochter plötzlich spurlos verschwunden war...
Ein ungeduldiges Schnauben von der Rückwand riss Jule aus ihren Gedanken. Es ldang wie: »Was ist das für ein schlampiger Service hier? Hoffentlich kümmert sich bald jemand um mich ...«
»Ich komme, Mäuschen«, rief Jule verhalten, »jetzt kannst du dich erst mal auf der Wiese voll fressen.«
Kapitel 5
Gesucht wird ...
»Mit mir kann man solche Mätzchen nicht machen«, empfing Kai Jensen seine Reitschüler Conny, Luisa und Bastian, als sie am frühen Freitagnachmittag eintrafen.
Seine Stimme bebte. So aufgeregt hatten die drei den Chef schon lange nicht mehr gesehen.
Ohne Umschweife rückte er damit heraus, was ihn auf die Palme gebracht hatte - dass Jule mit Sally verschwunden war, dass nur eine alberne, kurze Nachricht in der Box gelegen hatte und dass er so ein Affentheater in seinem Stall auf keinen Fall dulden würde.
»So, und nun sagt mir, wo sie steckt«, beendete er seine Standpauke. »Und tut ja nicht so, als ob ihr von nichts wisst.«
Die Mädchen und Bastian blickten sich ratlos an und erschrocken zugleich. Das hörte sich gar nicht lustig an. »Mensch, Herr Jensen, davon hatten wir wirklich keine Ahnung«, beteuerte Conny Clasen. Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Ihre Freundin Jule war heute den ganzen Morgen nicht auf dem Schulhof erschienen.
»Bestimmt wegen ihrer Eltern«, regte Luisa sich auf. »Eltern?« Kai Jensen stutzte. »Ach ja, Eltern! Ich möchte mal wissen, wo die stecken.«
Er drehte sich um und eilte wohl zum zehnten Mal an diesem Tag zum Telefon, um ein und dieselben Zahlen zu wählen - die Telefonnummer von Jules Eltern. Auch diesmal ließ er es lange durchklingeln, aber auch diesmal hob am anderen Ende niemand ab.
»Dann werde ich wohl die Polizei informieren müssen«, seufzte Herr Jensen, horchte noch ein letztes Mal in den Hörer und warf ihn dann auf die Gabel. Inzwischen klang seine Stimme weitaus besorgter als ärgerlich. »Oder habt ihr eine bessere Idee?«
Ohne große Hoffnung ging sein Blick zu den Jugendlichen, die ihm zum Telefon gefolgt waren.
»Jules Vater arbeitet bei der Bank im Einkaufszentrum«, wusste Conny Clasen. »Soll ich mal hinfahren und ihn holen?«
»Dann aber fix los«, sagte Herr Jensen, froh, dass die Sache endlich ins Rollen kam. Jetzt war es kurz nach zwei. Je schneller eine Suchaktion gestartet wurde, desto größer die Chancen Mädchen und Pferd zu finden. Er glaubte zwar immer noch felsenfest daran, dass Jule abends sowieso zurückkommen würde. Aber sicher sein konnte man bei ihr nicht.
Deswegen zögerte Kai Jensen auch nicht länger »110« zu wählen. Die Nummer der Polizei.
Der grün-weiße Polizeiwagen und der dunkelblaue Mercedes von Peter Ahrend, aus dessen Kofferraum Connys Fahrrad lugte, trafen fast gleichzeitig auf dem Reiterhof ein.
Aus dem Polizeiwagen stiegen zwei Männer, die mit schnellen Schritten dem Stall zustrebten. Im Gehen zogen sie den Reißverschluss ihrer grünen Lederjacken hoch und setzen die Dienstmützen auf.
Peter Ahrend hatte seine Frau Brigitte von ihrer Versicherung abgeholt. In ihrer eleganten Kleidung wirkten beide ein bisschen lächerlich auf der Stallgasse. Besonders Frau Ahrend, die mit ihren empfindlichen Pumps um Strohreste und ein paar Pferdeäpfel Slalom laufen musste. Aber
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