Reiterhof Birkenhain 03 - SOS Pferd verschwunden
den Weg über die Böschung nehmen. Sie kletterte direkt neben dem Schild ZUTRITT NUR FÜR GOLFER! über den niedrigen Wall und drückte sich an den Stämmen der Platanenbäume entlang zum Clubhaus. Ein beeindruckender Bau aus rotem Backstein mit schönen Stufengiebeln.
Mit klopfendem Herzen überquerte Jule das Rasenstück vor dem Gebäude, das »Putting-Green«, wie eine Tafel am Rand verkündete. Jules Augen suchten sorgfältig die weißen Fenster ab. Hoffentlich stand niemand hinter den Vorhängen und guckte nach draußen!
Nun kam das gefährlichste Stück des Weges. Noch ein paar Schritte, dann war die Wasserstelle hinterm Haus erreicht. Dort lag nur ein kleiner Laden, gleich dahinter erstreckte sich endloser Rasen. Der Teich in der Mitte schimmerte geheimnisvoll im Abendlicht, als Jule den Wasserhahn erreichte.
Puh!
Jetzt keine Zeit verlieren. Jule drehte den Hahn auf, bückte sich und trank selbst, so viel sie konnte. Dann ließ sie Wasser in den Eimer laufen. Während sie die Hände in den Strahl hielt, um das Plätschern zu dämpfen, suchte ihr Blick das Schaufenster des Golf-Shops ab. Unter einem Schild »7er-Eisen günstig« hing quer eine große, graue Golftasche. Darunter standen Golfschläger, ordentlich aufgereiht.
Die Tasche sieht fast aus wie ein Pferdebauch mit Beinen, dachte Jule, während sie den Hahn zudrehte. Ihre Mutter würde jetzt schimpfen: »Das ist doch nicht normal, Kind, dass du überall Pferde siehst.« Jule hob die schweren Eimer an.
Und weg.
Der Rückweg kam Jule endlos vor. Sie hatte das Gefühl, die schweren Eimer würden ihre Arme regelrecht in die Länge ziehen. Hinter der Böschung musste sie ihre Last absetzen, um einen Moment zu verschnaufen.
Aus dem Vereinshaus hörte sie Gelächter. Also doch! Es waren noch Golfer da. Jule ging in Deckung. Dann griff sie wieder zu den Henkeln. Weg hier.
Aber sie kam nur zehn Meter weiter, dann musste sie die Last wieder abstellen. Nein, es hatte keinen Sinn. Zehn Liter in jedem Eimer, das war einfach zu viel für s 'e. Seufzend goss sie fast die Hälfte auf die Wiese.
Danach kam sie besser vorwärts. Obwohl - einfach war es nicht über den unebenen Pfad zu balancieren, denn man sah kaum die Hand vor Augen. Jule stolperte mehrmals, fand aber ihr Gleichgewicht wieder, ohne viel zu verschütten.
Verschwommen hoben sich endlich die Umrisse des Unterstandes ab. Von weitem hörte Jule, wie Sally erwartungsvoll mit den Hufen scharrte, als ob sie das Wasser riechen konnte. Sie wieherte dunkel, als Jule näher kam. Außer Atem stellte das Mädchen die Eimer vor der Hütte ab.
Sally konnte es kaum erwarten, ihr weiches Maul in das erfrischende Nass zu tauchen. In großen Zügen trank die Stute erst den einen Eimer leer, den anderen unmittelbar danach.
Voller Zärtlichkeit sah Jule ihr zu.
Gab es etwas Schöneres, als für ein Pferd zu sorgen? Sie freute sich so sehr mit ihrer Stute, dass es ihr einen Moment lang schien, als sei sie selber Sally. Jule konnte regelrecht fühlen, wie das köstliche, kühle Wasser ihre Kehle herunterrann.
Nach dem letzten Schluck prustete Sally zweimal, dreimal und noch einmal. »Das war guuut«, hörte Jule aus dem Prusten heraus und musste lachen.
»Ich sause gleich noch mal los«, erklärte sie Sally, »du hast ja höchstens 15 Liter gehabt.«
Eine Viertelstunde blieb sie bei dem Pferd, dann machte sie sich wieder auf den Weg. Gut, dass sich in der Ecke des Unterstandes insgesamt vier Eimer stapelten. Jule beschloss einen Vorrat anzulegen. Tagsüber war es viel zu gefährlich, im Golfclub mit Eimern umherzulaufen. Noch dazu in Reitsachen. Ebenso gut konnte sie gleich ein Plakat ans Clubhaus kleben: »Das vermisste Mädchen wohnt auf der unbenutzten Pferdeweide, zehn Minuten von hier Richtung Osten.«
Der zweite Wassertransport fiel Jule wesentlich leichter. Aber aus einem ärgerlichen Grund.
Sie hatte gerade die Eimer auf halber Strecke abgesetzt -da sah sie die Bescherung! Mindestens ein Drittel des Wassers fehlte. Mit banger Vorahnung hob Jule die grauen Zinkeimer an und fand auch gleich den Grund: Aus beiden Böden rieselte ein feiner Strahl. Löcher! Nicht viel größer als ein Stecknadelkopf, aber das reichte für die Katastrophe.
»Oh nein!«
Jule stieß einen spitzen Schrei aus, hielt sich aber sofort die Hand vor den Mund. Halb krank vor Wut schleppte sie die Eimer weiter. Wie sollte sie mit löchrigen Eimern einen Wasservorrat anlegen? An was man alles denken musste! Im Stall gab es nie
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