Reiterhof Birkenhain 03 - SOS Pferd verschwunden
beiden.
»Jules Augen sind größer . . . eher grünbraun als dunkelbraun . . . die Haare weiter aus der Stirn . . . irgendwie sieht sie jetzt zu alt aus ...«
Luisa fing immer wieder eine neue Seite an, radierte, verbesserte hier und fügte dort kleine Änderungen ein.
Zum Schluss griff sie zu den Farbstiften und färbte Jules Haar in einem leuchtenden Kastanienrot ein und Sallys Fell in einem warmen Dunkelbraun. So.
Mit einem Seufzer der Zufriedenheit legte sie die Stifte beiseite und betrachtete das Bild, indem sie es mit ausgestreckten Armen weit von sich hielt.
»Ähnlicher hätte ich es auch mit dem Fotoapparat nicht hingekriegt«, versicherte Bastian. Und tatsächlich lächelte Jule so lebendig von dem Zeichenpapier, dass sich niemand gewundert hätte, wenn sie plötzlich angefangen hätte zu sprechen.
»Also, wer Jule nach deiner Zeichnung nicht erkennt«, stellte Conny fest, »der braucht wirklich einen Blindenhund.«
Bastian stand auf und betrachtete das Werk von oben. Er ging drei Schritte zurück und nickte.
»Auch von weitem astrein«, bestätigte er, während er sich das vierte Stück Apfelkuchen in den Mund schob. »Sally hast du übrigens auch super hingekriegt.« Er rieb seine Krümelhände an der Hose ab. »Unter Jule und Sally gehört jetzt noch ein Text. Dass wir sie suchen.« »Wie wär's als Überschrift mit WANTED?«, schlug Conny vor und zeigte mit den Händen an, wie groß sie sich die Zeile vorstellte. »So wie im Wilden Westen.« »Du spinnst wohl!« Bastian tippte sich gegen die Stirn. »Wanted! Gesucht! Das schreibt man doch nur bei Scharfschützen und Pferdedieben.«
Pferdediebe! Im weitesten Sinne war Jule ja auch ein Pferdedieb. Im allerweitesten Sinne. Jeder dachte daran, aber niemand sprach dieses ungeheuerliche Wort in Verbindung mit Jule aus.
Die Künstlergruppe überlegte sich verschiedene Texte. Schließlich schrieb Luisa in Druckbuchstaben unter die Zeichnung:
SOS - WIR SUCHEN DRINGEND unsere Freundin Jule Ahrend, 12 Jahre alt, 1,58 cm groß, kastanienrotes, halblanges Haar - und Jules Lieblingspferd Sally, genannt Mäuschen, eine braune Holsteiner Stute mit weißem Stern.
Tel.: Großmoorstedt 603 480.
Das war die Telefonnummer von Frau Steffen.
Luisa las noch einmal alles laut vor. Und während sie las, erschien ihr Jules Flucht auf einmal so endgültig und schrecklich, dass es ihr die Kehle zuschnürte. Luisa griff noch einmal zum Filzstift und schrieb aus einer plötzlichen Eingebung heraus unter den Text: Komm doch wieder, Jule.
Dann legte sie ihren Kopf auf den Tisch und weinte, als wollte sie nie wieder aufhören.
Bestürzt sahen sich die anderen an. Conny sprang auf und umarmte Luisa.
»Hör bloß auf«, sagte sie mit gespielter Strenge und rieb ihr Kinn an Luisas schwarzem Haar. »Sonst heule ich auch los. Mensch, du weißt doch, dass Jule in Sicherheit
ist. Wetten, dass sie vorher alles genau vorbereitet hat? Sie hat doch sogar ihren Schlafsack mitgenommen!« Luisa hob ihren Kopf und schluchzte unter Tränen: »Das sagst du nur, um mich zu beruhigen.«
Ganz verloren sah die zehnjährige Luisa mit einem Mal aus, wie sie da so klein und verweint an dem großen Tisch saß.
»Denk doch mal logisch, Luisa.« Beschwörend redete jetzt Bastian auf seine Reiterfreundin ein. »Meinst du, Jule hätte Herrn Jensen den Zettel und ihre Reitkarte hingelegt, wenn sie nicht alles hundertprozentig geplant hätte? Und Hafer für Sally hat sie ja auch mitgenommen.«
»Aber warum hat sie uns nichts gesagt?«
Jetzt meldete sich Luisas Oma zu Wort. »Sie wollte euch nicht mit in die Sache hineinziehen, so wie ich Jule einschätze.«
Luisa kramte ein Taschentuch hervor und putzte sich energisch die Nase. »Meinst du wirklich?«, fragte sie, jetzt etwas zuversichtlicher.
Im Grunde war es wirklich logisch.
Jule Ahrend war zwar aufbrausend und fasste gerne Blitzentschlüsse - aber wenn es um ihren Liebling Sally ging, würde sie nichts Unüberlegtes tun. Das leuchtete auch Luisa ein.
»Trotzdem«, sagte sie und starrte auf das Plakat, »ich würde sonst was dafür geben, wenn ich wüsste, was Jule heute den ganzen Tag gemacht hat.«
Kapitel 8
Hallo - hier ist Mäuschen!
Während auf dem Reiterhof Birkenhain alle ihre Köpfe anstrengten, um Jules Versteck aufzuspüren, brauchte Jule ihre ganze Phantasie, um eine Lösung für das undichte Dach zu finden.
Es war Samstagvormittag, der Tag nach der Flucht.
Als die Nervis mit ihren Pferden nach ihr suchten, mühte Jule
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