Reiterhof Birkenhain 03 - SOS Pferd verschwunden
sich gerade ab die Pfützen vom Boden ihres Unterstandes zu beseitigen. Einen Besen gab es nicht in der Hütte. Jule schabte das Wasser mit einer breiten Schaufel nach draußen. Gut, dass ihre Vorräte sicher in Plastiksäcken lagen. Aber der Schlafsack war nass geworden. Zwar war die Außenhaut wasserdicht, aber die Kapuze hatte ein paar Tropfen abbekommen.
Noch eine Nacht Regen und sie musste die Flucht beenden und zurückreiten. Schließlich wollte sie sich hier draußen nicht den Tod holen. Schlimm genug, dass ihr Hals beim Schlucken kratzte. Schuld daran war eindeutig das nasse T-Shirt, zusammen mit dem böigen Wind.
Hoffentlich wurde das keine richtige Erkältung. Zu blöd, dass sie nur ein einziges Ersatz-T-Shirt mitgenommen hatte. Aber wer konnte schon ahnen, dass es nach dieser sonnigen Woche plötzlich gießen würde?
Gegen elf Uhr frischte der Wind noch einmal auf. Danach verschwanden die Wolken und die Sonne kam durch. Jetzt aber nichts wie raus aus dem dunklen Unterstand. Nachdem Jule ihr weißes T-Shirt zum Trocknen an eine Latte gehängt hatte, holte sie die Holzleiter, die hinter der Hütte lag. Jule richtete sie auf und lehnte sie an die Rückwand. Argwöhnisch musterte sie die Sprossen. Vertrauen erweckend sahen die nicht gerade aus. Hoffentlich waren sie nicht so morsch, dass sie gleich durchbrachen. Vorsichtig setzte sie einen Fuß auf den untersten Holm, federte kurz und traute sich dann auf den nächsten. Die bemoosten Leiterstufen waren glitschig wie Aale. Gut, dass sie nur bis zur vierten Sprosse hinaufklettem musste. Oben angekommen, unterzog sie das Dach einer genauen Inspektion. Es machte in der Tat einen verrotteten Eindruck. Die schrägen Latten waren grün überwuchert, einige angebrochen. Immerhin entdeckte Jule, dass die eine Hälfte des Daches wohl kürzlich gedeckt worden war. Das Holz sah neuer aus als der Rest. Wahrscheinlich regnete es nur auf der alten Seite durch.
Sie überlegte, ob sie ihre beiden Plastiksäcke opfern sollte, um sie dort darüber zu legen. Aber wie befestigen? Ein Windstoß fegte die leichten Tüten doch weg.
Jules Blick wanderte über das Dach auf die Weide und die Wälder dahinter. Plötzlich durchzuckte es sie wie ein Blitz: Wo war Sally? Hatte sie gestern Nacht beim Wasserholen etwa das Gatter offen gelassen? Das fehlte gerade noch. Sie musste sofort nachsehen.
Mit einem Fuß war Jule schon nach unten gestiegen, da lugte Sallys Nase um die Ecke des Unterstandes.
»Da bist du ja, Mäuschen«, sagte Jule erleichtert von oben hinunter. »Du hast dich wohl gewundert, dass ich auf einmal größer bin als die Hütte. Willst wohl nachsehen, was?«
Sally hob den Kopf und stieß zufrieden schnaubend gegen Jules Waden.
»Nein . . . nicht, Sally«, konnte Jule gerade noch rufen, bevor sie auf der glatten Leiter den Halt verlor. Im Fallen versuchte sie, sich an einer Dachlatte festzuhalten, doch ihre Finger rutschten ab. Jule ruderte wie wild mit den Armen, um das Gleichgewicht zu halten wie ein Seiltänzer. Vergebens. Mit einem leisen Aufschrei stürzte das Mädchen auf die Weide.
Zu Tode erschrocken über die Wirkung ihres Anstup-sens machte Sally einen Satz zur Seite, stürmte ein paar Meter weit weg und blieb laut schnaubend stehen. Nach dem ersten Schreck lag Jule einige Sekunden lang regungslos auf der nassen Weide. Schließlich bewegte sie vorsichtig Hände, Arme und Beine, wie man es auch nach einem Sturz vom Pferd machte. Alles funktionierte. Jule rappelte sich auf.
Mist, jetzt ist auch das zweite T-Shirt hin, war das Nächste, was ihr durch den Kopf schoss. Der dünne Stoff hatte sich sekundenschnell auf dem nassen Boden voll gesaugt. Bei ihrer Reithose mit dem Ganzlederbesatz war zum Glück keine Feuchtigkeit durchgedrungen.
Sally stand noch aufgeregt in sicherer Entfernung. Mit ausgestreckten Händen ging Jule auf sie zu. »Schon gut, Mäuschen«, sagte sie ruhig, »du kannst ja nichts dafür.« Mäuschen schien mit der Aussage zufrieden zu sein und wandte sich wieder ihrer Lieblingsbeschäftigung zu Gras zu fressen.
Seufzend ging Jule in den Unterstand zurück und durchforstete ihre Vorräte nach Anziehsachen. Wie sie schon befürchtet hatte - kein einziges trockenes Teil mehr. Aber es half nichts: das nasse Zeug musste herunter.
Sie streifte das T-Shirt über den Kopf, hängte es zu dem anderen nach draußen und schlüpfte in ihre Jeans weste. Kühl, ohne etwas darunter. Was konnte sie bloß Trockenes anziehen?
Ihr Blick fiel auf Sallys
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