Reiterhof Birkenhain 03 - SOS Pferd verschwunden
Decke des Unterstands. Seine Bewährungsprobe musste das geflickte Dach noch beste-hen! Und dass die Stunde bald kommen würde, stand für Jule außer Frage. Die geriffelten Wolken ließen keinen anderen Schluss zu. »Sieht der Himmel aus wie ein altes Waschbrett, gibt es Regen.« Auch das wusste Jule aus Bastians Wildnisbuch.
Trotz der anstrengenden Dachdecker-Arbeiten verspürte Jule keinen Hunger.
»Iss etwas, damit du bei Kräften bleibst, Jule Ahrend«, ermahnte sie sich selber und griff zum Proviantsack. Wer weiß, was ihr noch alles bevorstand. Sie holte eine Räuberwaffel mit Zitronenfüllung hervor. Die Waffel aus dem Werbespot, bei dem sie und die Schulpferde mitgespielt hatten. Als Jule die Folie aufriss, musste sie unwillkürlich lachen. Wie oft hatte sich Luisa bei dem Wort »Wiederverschlussfolie« versprochen.
Luisa . ..
Was jetzt wohl im Stall vorging? Sicher war alles in heller Aufregung. Die Killerbienen würden sich bestimmt die Hände reiben, weil nicht eine von ihnen für Unruhe gesorgt hatte. Die Nervis auch. Und Bastian? Ob er etwas unternehmen würde, um sie zu finden? Wahrscheinlich war längst die Polizei informiert. Ihr Vater würde nicht lange fackeln.
Am meisten tat ihr Herr Jensen Leid. Der konnte nun wirklich nichts dafür, dass sie mit Sally verschwinden musste. Im Dunkeln würde sie zur Telefonzelle am Golfplatz schleichen und im Stall anrufen.
Kurz vor Mitternacht brachte Jule Sally in den Unterstand, spannte wieder ein Seil davor und legte ihr etwas Heu hin.
»Diesmal bin ich ganz schnell zurück«, sagte sie und machte sich auf den Weg entlang dem Zaun.
Aber schon nach wenigen Metern meldete Sally lautstark Protest an. Mit den Hufen donnerte sie gegen die Holz wände. Himmel! Vor Schreck zog Jule den Kopf ein und rannte zurück.
»Mäuschen, hör auf«, beschwor sie das Pferd. »Das hört man ja bis zum Golfplatz.«
Mäuschen drückte ihre Brust gegen das Absperrseil und wollte raus. Ein Blick auf Sallys Gesichtsausdruck genügte und Jule wusste, dass sie so lange Krach machen würde, bis sie herausgeholt wurde. Ergeben verdrehte Jule die Augen und öffnete die Absicherung. Oh ja, sie kannte ihren Liebling. Wenn Sally sich so aufführte, konnte man sie nicht allein lassen.
Jule hängte den Haken des Stricks in Sallys Halfter ein. »Na gut, dann musst du eben mitkommen.«
Bei der Gelegenheit konnte Sally sich gleich auf der Anlage satt trinken und sie sparte ihren Wasservorrat.
Das von zwei Außenleuchten angestrahlte Clubhaus mit dem nass glänzenden Putting-Green davor wirkte auch diesmal wie eine Geisteranlage. Um diese Zeit waren alle Golfer verschwunden, selbst an einem Samstag.
Wie gestern nahm Jule mit Sally den Weg über die Böschung.
Ihr Herz schlug schneller, als sie in die Telefonzelle neben dem Backsteinhaus schlüpfte.
Jule lehnte sich in der Zelle an die Glaswand und hielt mit einem ausgestreckten Bein die Tür offen. So konnte sie Sally, die draußen stand, am Strick besser halten. Mit der freien Hand fingerte sie die Telefonkarte aus der Jeansweste, schob sie in den Schlitz und wählte mit bebenden Fingern die Nummer vom Reiterhof Birkenhain.
»Pferde müssen draußen bleiben, Mäuschen«, sagte sie streng, als Sally sich mit ins Telefonhäuschen zwängen wollte.
Das Rufsignal ertönte. Natürlich lag Herr Jensen längst im Bett. Schließlich musste er morgens um fünf zum Füttern heraus. Aber zu Hause wollte sie doch lieber nicht anrufen. Wer weiß, vielleicht gab es schon eine Fangschaltung, mit der die Polizei verfolgte, woher der Anruf kam?
Ungeduldig rieb Jule ihren Rücken an der Scheibe hin und her. Warum nahm er nicht ab?
»Jensen.«
Jule wollte gerade auflegen, als sie die vertraute Stimme des Chefs hörte. Oha, das »Jensen« klang nicht sehr heiter.
»Wer ist da? Wissen Sie nicht, wie spät es ist?«
»Hier ist Mäuschen . . . äh . . . Sally . . . Quatsch.« Obwohl Jule ihren kurzen Spruch in Gedanken immer Wieder aufgesagt hatte, verhaspelte sie sich jetzt vor lauter Aufregung. »Ich wollte sagen, Jule.«
Wie blöd sie sich anstellte! Ihr Kopf glühte.
»Bei uns ist alles okay. Wir sind an einem sicheren Ort. Meine Eltern sollen mich nicht suchen. Nein, Mäuschen . . .« Rasch hielt Jule die Sprechmuschel zu, schob Sallys Kopf energisch zurück und flüsterte: »Du kannst hier nicht rein.« Dann wieder in den Hörer: »Ich komme erst nach Hause, wenn ich kein Stall verbot mehr habe.« Entschuldigend fügte sie noch hinzu: »Tut
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