Reiterhof Birkenhain 04 - Ein starkes Team
jeder Gelegenheit rissen sie das Kommando an sich. Diese Olivia hatte doch sogar einen Freund. Wieso ließ sie Sally nicht in Ruhe?
Aus schmalen Augenschlitzen beobachtete Jule die 16-Jährige. Oder war sie schon 17? Widerwärtig, wie Olivia sich an Sally anschleimte. »Na, mein Mäuschen . . . «
Ihr Mäuschen. Ihr Mäuschen war Sally ja wohl nicht. Dass die sich überhaupt traute das Wort Mäuschen in den Mund zu nehmen. Für die Killerbienen war Sally immer noch Sally.
Nachdem die große Holsteiner Stute Jule schnaubend begrüßt hatte, stand sie jetzt mit halb geschlossenen Augen da und wirkte sehr zufrieden. Obwohl Olivia die Bürste betätigte.
Jule platzte fast vor Eifersucht.
»Du könntest zum Beispiel in der Halle den Hufschlag ebnen«, sagte sie so cool wie möglich. Bloß keine Blöße erkennen lassen. »Wenn du dich nützlich machen willst.«
Olivia beugte sich zu Sallys Beinen hinunter. »Ach, und warum machst du das nicht? Zum Beispiel?«
Aus.
»Zum Beispiel, weil ich hier schon seit Montag wie verrückt arbeite«, schrie Jule ihrer Konkurrentin ins Gesicht. »Jede Reitstunde habe ich sausen lassen. Und heute ist der erste Tag, an dem ich mich um die Pferde kümmern kann. Und da kommst du und nimmst mir Sally weg.«
Olivia nahm den Anfall erstaunt hin. Sie überlegte einen Moment, dann drückte sie Jule das Putzzeug in die Hand. »Sag das doch gleich.«
Verdattert starrte Jule auf die Bürste. Ob sie sich bedanken musste? Zu spät. Olivia ging schon mit Schaufel und Harke in die Reithalle. Jule beschloss ihr nicht die Luft aus den Reifen zu lassen, was sie eigentlich vorgehabt hatte. Sie fand, das war eine großzügige Geste und genügte.
Die fünf Reiter, die ihre Pferde weiter hinten auf dem Hof zum Putzen angebunden hatten, warfen neugierige Blicke herüber. Ein netter, kleiner Streit, in den sie nicht verwickelt waren, schien ihnen eine hübsche Bereicherung für einen Samstag zu sein. Jule schnaubte verächtlich und zog den fünfen eine Grimasse. Wahrscheinlich passierte in ihrem öden Erwachsenenleben so wenig, dass schon der Wortwechsel mit einer Killerbiene ein Glanzpunkt war.
Jule wandte sich Sally zu. Hauptsache, sie hatte ihr Mäuschen zurück. Mäuschen kollerte leise und nahm den Kopf herunter. Jule drückte ihr Gesicht in Sallys Mähne. Dieser wundervolle Fellgeruch . . . davon bekam sie nie genug.
Schade, dass Sally gleich mit Steffi Keck ins Gelände ging. Aber nur für zwei Stunden, die waren schnell vorbei. Danach gehörte Sally wieder ihr. Außerdem wartete nachmittags noch eine tolle Sache - Axel spendierte dem harten Kern der Helfer einen Ritt ins Gelände.
Von der Holzbrücke über dem Lottbach hörte man das gleichmäßige Getrappel von Hufen. Hinter den Birken, am Ende der Weiden, tauchten Pferde auf. Ihre Kollegen auf dem Hof hoben die Köpfe und stellten die Ohren hoch. Lotta wieherte. Im gemächlichen Schritt näherte sich die Reitergruppe. Axel ritt auf Ankum an der Spitze. Friedliche Stille lag über dem Reiterhof. Die angebundenen Pferde gaben kaum einen Laut von sich. Entspannt dösten sie in der frühen Junisonne. Bis auf ein gelegentliches Schnauben oder ein sachtes Rascheln in den Birken war es ruhig. Ein romantischer Sommermorgen.
Es gab keine Anzeichen dafür, dass dieser Tag sich dramatisch entwickeln würde.
Der Pferdewechsel ging schnell und zügig vor sich. Axel blieb gleich auf Ankum sitzen und ritt dann mit der zweiten Gruppe ins Gelände. Steffi Keck war in letzter Minute eingetroffen und freute sich, dass Sally bereits gesattelt und getrenst war.
Die freien Pferde, die beim zweiten Ausritt nicht dabei waren, konnten zurück in den Stall.
Weil die Erwachsenen sofort verschwunden waren, warf Conny einen Kontrollblick auf die Pferde. »Wie immer - niemand hat die Sattellage ausgewaschen. Komm, Jule, wir stellen sie noch mal kurz heraus.« Rocky, Turbo und Cherie wurden aus den Boxen nach draußen geholt. Mit einem Schwamm und Essigwasser rieben die Mädchen die verschwitzte Sattellage aus.
»Ich verstehe nicht, wo das Heu bleibt«, sagte Luisa. Mit Flecken-Paula am Strick kam sie aus der Stallgasse. Paula sah immer noch ziemlich mitgenommen aus nach der Kolik. Dr. Teichmüller hatte die ganze Woche Ruhe verordnet. Luisa band die Knabstrupper-Stute im Schatten eines Holunders an. Die klare frische Luft würde dem Pferd gut tun.
»Ja, das Heu. Er wollte doch ganz früh kommen«, sagte Jule, stellte den Eimer mit Essigwasser an die Seite und
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