Reiterhof Birkenhain 09 - Spuk im Stall
Schlag auf Schlag.
Luisa zwingt sich genau hinzusehen. Sie will die Täter später so gut beschreiben können, dass die Polizei sie fassen kann. Luisa schreibt in Gedanken Stichworte auf. Das will sie der Polizei sagen:
»Der Sprecher hat dunkle Augen und breite, schwarze Augenbrauen. Unter der Kapuze sieht man schwarze Haare. Er weiß, wie man Anbindeknoten von Pferden löst.«
Der andere, der Schweigsame, ist trotz seiner Vermummung ergiebiger. Über ihn notiert Luisa Folgendes in ihrem Gedächtnis:
»Seine Augen stehen ungewöhnlich weit auseinander -wie bei einer Eidechse. Die Nase ist flach und breit. Sein Gesicht ist völlig farblos. Nicht mal die Augenbrauen sind zu erkennen. Unter der Kapuze sind keine Haare zu sehen. Vielleicht eine Glatze oder rasiert. Tätowierung über dem linken Handgelenk.«
Dass Luisa später noch mehr zu Protokoll geben kann, verdankt sie dem zuverlässigen Hamburger Wind. Beim dritten Beutegang drängen sich die Männer in ihrer Eile gleichzeitig mit den Sätteln durch die Tür nach draußen. Der Dunkelhaarige rempelt seinen Komplizen aus Versehen an. Die übereinander gelegten Sättel wackeln bedrohlich und kommen ins Rutschen.
»Bläd bisd, Himmiheagood«, wettert der Stumme, der plötzlich doch sprechen kann - allerdings Bayerisch. Während die Diebe ihre schwere Beute ausbalancieren, frischt der Hamburger Wind auf. Ein Geschenk des Himmels, wie sich gleich herausstellt. Denn eine Sturmböe greift unter die Kapuzen und fegt sie herunter. Keiner der beiden hat eine Hand frei, um die Kapuze festzuhalten. Die Verbrecher drehen fluchend den Hals, um den Stoff zwischen Ohr und Schulter einzuklemmen. Vergebens.
Sie können nicht verhindern, dass Luisa ihre Köpfe für einen Moment deutlich sieht.
Der Helle hat einen kurzen, weißblonden Bürstenschnitt. An seinem linken Ohrläppchen blitzen drei Ohrringe, kleine, silberne Ringe. Der andere trägt einen Mittelscheitel und halblange, schwarze Haare, die von der Mitte nach rechts und links über die Ohren fallen.
»Los jetzt!«, kommandiert der Dunkle und sieht zu, dass er von der Tür wegkommt. »Die Außenboxen müssen wir vergessen.«
Die Diebe stehen unter Zeitdruck.
»Ois wegn dia ...«, schimpft der mit dem blonden Bürstenhaarschnitt.
Dann hört Luisa, dass eine Wagentür mit Wucht ins Schloss geworfen wird. Höchstens zehn Minuten hat der ganze Spuk gedauert.
Angsterfüllt hält Luisa die Luft an und lauscht. . . mit quietschenden Reifen fährt der Wagen vom Hof.
Jetzt erst wagt sie wieder zu atmen.
Erlöst lässt Luisa sich neben Flecken-Paula ins Stroh fallen. Sie landet direkt auf ihrem Reitstiefel und springt gleich wieder auf.
»Ach ja«, murmelt sie. Erst jetzt merkt sie, dass ihr nackter Fuß eiskalt ist. Luisa streift den Socken über und zieht den Stiefel an. Dann geht sie zur Boxentür und rüttelt mit aller Kraft an den Eisenstäben.
»Hilfe ... Herr Jensen ... Hilfe ...«
8. Kapitel
Luisa blickt voll durch
Mia-Mathilde Gerlach nahm die Zügel kürzer und hielt ihren braunen Wallach Godewind auf Jensens Hof an. Die Gittertür zum Stall stand offen und bewegte sich im Wind. Mia beugte sich aus dem Sattel. Angestrengt peilte sie in das diffuse Licht der Stallgasse.
»Warum schreist du so?«, rief sie nach innen. »Siehst du wieder Vampire?« Amüsiert grinste sie ihre Schwester Dina an, die mit ihrem Pferd neben sie geritten war. »Da, guck mal!« Dina-Dorothee zeigte auf Paulas Box, in der sie Luisa entdeckte. »Sie versteckt sich bei ihrem Pferd.«
Die Nervi-Zwillinge kamen gerade vom Ausritt zurück. Schon auf dem Sandweg hatten sie Luisas Rufe gehört und sich darüber lustig gemacht, wie leicht sie zu erschrecken war. Aber das Lachen verging ihnen nun schnell.
»Hier war ein Überfall.« Luisa trommelte gegen die Boxentür. Ihre Stimme überschlug sich. »Gerade erst, vor zehn Minuten... die Sattelbande... alle Sättel weg... das Zaumzeug auch ... und ich bin eingeschlossen.«
»Du spinnst doch«, sagte Dina-Dorothee und tippte sich gegen die Stirn. Sie ließ sich nicht gern auf den Arm nehmen. Wer weiß, dachte sie, vielleicht warten Conny und Jule im Stall und lachen sich scheckig, wenn ich jetzt hineinlaufe, um Luisa zu retten? Unentschlossen blieb Dina im Sattel sitzen. Andererseits - warum sollte Luisa sich eine so tollkühne Geschichte ausdenken? Außerdem: So aufgeregt redete man nicht, wenn man jemanden veralbern wollte.
»Komm endlich, Dina! Das ist nicht witzig.«
»Okay. Aber
Weitere Kostenlose Bücher