Reizende Gäste: Roman (German Edition)
»Ich schon!« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küßte Richard zart auf die Lippen. Nach einer Sekunde ließ sie ihre Zunge sanft in seinen Mund gleiten. Sofort versteifte sich sein Körper. Vor Bestürzung? Vor Verlangen? Beiläufig strich sie mit der Hand über seinen Nacken und wartete darauf, daß sie es herausfand.
Während Fleur ihn küßte, stand Richard stocksteif da. Ihre Worte hallten in seinem Kopf wider, und er versuchte, seine Gedanken zu ordnen, was ihm aber nicht gelang. Mit einemmal fühlte er sich starr, fast gelähmt vor Erregung. Nach einem Moment bewegte Fleur ihre Lippen sanft zu seinem Mundwinkel, und er spürte, wie er wonnevoll erschauerte. So hätte es mit Emily sein sollen, dachte er benommen, während er gleichzeitig versuchte, vor Berauschtheit nicht umzukippen. So hätte es mit seiner geliebten Frau sein müssen. Aber wie diese Frau hatte Emily ihn nie erregt – diese berückende Frau, die er gerade einmal vier Wochen kannte. Noch nie hatte er eine erregte Vorfreude wie diese empfunden. Nie hatte er … hatte er eine Frau richtiggehend vögeln wollen.
»Laß uns ein Taxi nehmen«, sagte er mit rauher Stimme und riß sich von Fleur los. »Und zurück in die Wohnung fahren.« Das Sprechen fiel ihm schwer. Jedes Wort schien den Augenblick zu besudeln; die Überzeugung in ihm zu schmälern, daß er kurz vor einer vollkommenen Erfahrung stand. Aber es half nichts. Man mußte ja irgendwie von der Straße weg.
»Wie wär’s mit dem Hyde Park?«
Richard kam es vor, als foltere Fleur ihn.
»Ein andermal«, brachte er leise heraus. »Komm schon, komm!«
Er hielt ein Taxi an, schob Fleur hinein, murmelte dem Taxifahrer die Adresse zu und wandte sich dann zu Fleur um. Und bei ihrem Aussehen blieb ihm fast das Herz stehen. Als Fleur sich auf dem schwarzen Ledersitz zurückgelehnt hatte, war ihr Kleid auf geheimnisvolle Weise soweit hochgerutscht, daß nun der obere Rand ihrer schwarzen Strümpfe gerade so eben zu sehen war.
»O Gott«, nuschelte er und starrte auf die schwarze Spitze. Emily hatte nie schwarze Spitzenstrümpfe getragen.
Und plötzlich packte ihn die kalte Angst. Was hatte er vor? Was war mit ihm geschehen? Bilder von Emily gingen ihm im Kopf herum. Ihr süßes Lächeln; das Gefühl ihres Haares zwischen seinen Fingern; ihre schlanken Beine; ihre hübschen kleinen Pobacken. Gemütliche, anspruchslose Zeiten; Nächte der Zärtlichkeit.
»Richard«, sagte Fleur heiser und fuhr mit dem Finger an seinem Oberschenkel entlang. Voller Panik fuhr Richard zusammen. Schreckliche Angst erfüllte ihn. Was ihm auf dem Bürgersteig so klar erschienen war, schien nun durch Erinnerungen befleckt, die ihm nicht aus dem Kopf gehen wollten; von einem Schuldgefühl, das in ihm aufstieg und ihm die Luft abschnürte, so daß er kaum noch atmen konnte. Plötzlich war er den Tränen nahe. Er konnte es nicht tun. Er würde es nicht tun. Und doch bereitete ihm das Verlangen nach Fleur Höllenqualen.
»Richard?« sagte Fleur wieder.
»Ich bin nach wie vor verheiratet«, stammelte er. »Ich kann nicht. Ich bin immer noch mit Emily verheiratet.« Er starrte sie an, wartete, daß seine Pein nachließ; wartete auf irgendeine innere Bestätigung, daß er das Richtige tat. Aber sie kam nicht. Er fühlte sich überwältigt von widerstreitenden Gefühlen, körperlichen Bedürfnissen, Seelenqualen. Keine Richtung schien die richtige.
»Du bist nicht mehr wirklich mit Emily verheiratet«, meinte Fleur mit sanfter Stimme. »Oder?« Sie hob eine Hand und begann seine Wange zu streicheln, aber er drehte sich weg.
»Ich kann nicht!« Richards Gesicht war weiß vor Verzweiflung. Mit angespannten Zügen und glitzernden Augen stierte er nach vorn. »Du verstehst das nicht. Emily war meine Frau. Emily ist die einzige …« Seine Stimme versagte, und er sah fort.
Fleur überlegte einen Moment und zog dann rasch ihr Kleid zurecht. Als Richard sich wieder gefangen hatte und zu ihr hinsah, waren ihre Spitzenstrümpfe unter einem Meer von schicklicher schwarzer Wolle verschwunden. Stumm blickte er sie an.
»Ich muß eine große Enttäuschung für dich sein«, sagte er schließlich. »Ich könnte es verstehen, wenn du beschließen würdest …« Er zuckte die Achseln.
»Was beschließen würde?«
»Daß du mich nicht mehr sehen möchtest.«
»Richard, jetzt sei doch nicht albern!« In Fleurs sanfter Stimme klang Mitgefühl und auch ein kleines bißchen Schalk mit. »Du bildest dir doch nicht etwa ein, daß
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