Reizende Gäste: Roman (German Edition)
bis zum Abend gewartet und Emily dann darauf angesprochen. Ihre ganze Frustration und Wut waren in einer tränenreichen Tirade zum Ausbruch gekommen, während Emily an ihrem Toilettentisch saß und sich das Haar bürstete; wartete. Dann, als Gillian fertig war, hatte sie sich mit einem kalten, verächtlichen Blick umgedreht. »Du bist doch bloß eifersüchtig«, hatte sie gesagt. »Das ist ungesund! Du wünschst dir, Antony wäre dein Kind. Tja, aber er ist nicht deines, er ist meines!«
Bestürzt hatte Gillian Emily angesehen, sich selbst plötzlich nicht mehr sicher. Wünschte sie wirklich, Antony wäre ihr Kind?
»Du weißt, daß ich Antony liebe«, war Emily fortgefahren. »Jedermann weiß, daß ich ihn liebe.« Sie machte eine Pause. »Richard sagt immer, wie wunderbar ich mit ihm umgehe. Und das Muttermal, was tut das schon? Das fällt einem doch gar nicht auf.« Ihre Augen hatten sich verengt. »Ehrlich gesagt überrascht es mich, Gillian, wie oft du es erwähnst. Wir halten es nämlich für das beste, es zu ignorieren.«
Irgendwie hatte sie Gillian die Worte so lange im Munde verdreht, bis Gillian völlig verwirrt und unsicher über die eigenen Beweggründe war. Entwickelte sie sich allmählich zu einer meckernden, eifersüchtigen Jungfer? Grenzte ihre Liebe zu Antony an Besitzgier? Seine leibliche Mutter war schließlich erwiesenermaßen Emily. Und so hatte sie sich zurückgezogen und nichts mehr gesagt. Glücklicherweise war er zu einem freundlichen, problemlosen Kind herangewachsen.
»Schau!« Antony zeigte ihr den Kricketschläger.
»Sehr gut.« Gillian sah zu, wie er aufstand und den Schläger ausprobierte. Wie groß er inzwischen war; praktisch ein Erwachsener. Doch manchmal, wenn sie einen Blick auf seine kräftigen Arme oder seinen glatten Hals erhaschte, sah sie wieder das glückliche, stämmige Baby vor sich, das sie aus seinem Kinderbettchen angelacht hatte; dessen Hände sie gehalten hatte, als es die ersten Schritte machte; das sie von der Sekunde seiner Geburt an geliebt hatte.
»Sei vorsichtig!« mahnte sie barsch, als er den Schläger in Richtung eines großen, bemalten Blumentopfes schwang.
»Ich bin vorsichtig!« versetzte er gereizt. »Immer mußt du rumschnauzen.«
Er machte einige Übungsschwünge. Gillian enthülste wortlos noch ein paar Erbsen.
»Was hast du heute nachmittag vor?« fragte sie schließlich.
»Keine Ahnung. Vielleicht leih’ ich mir ein Video aus. Oder gleich ein paar. Ohne Will ist es so langweilig.«
»Und was ist mit den anderen? Xanthe? Und diesem neuen Jungen, Mex? Du könntest mit ihnen doch etwas ausmachen!«
»Mal sehen.« Sein Gesicht verschloß sich, und er wandte sich ab, wobei er den Schläger wild durch die Luft schwang.
»Vorsicht!« rief Gillian. Doch es war zu spät. Als er den Schläger zurückschwang, krachte und splitterte es. Er hatte einen Terracottatopf von seinem Ständer geschlagen, und dieser ging auf dem Fliesenboden zu Bruch.
»Jetzt schau, was du angerichtet hast!« fuhr sie ihn wütend an. »Ich habe doch gesagt, du sollst vorsichtig sein!«
»Es tut mir leid, okay?«
»Der ganze Boden ist voll!« Gillian erhob sich und blickte verzweifelt auf die Terracottascherben, die Erdklumpen, die fleischigen Blätter.
»Ehrlich. So eine Katastrophe ist es auch wieder nicht.« Er bückte sich und hob eine Topfscherbe auf. Ein Erdklumpen fiel auf seinen Schuh.
»Ich hole besser einen Handbesen.« Mit einem lauten Seufzer stellte Gillian die Erbsen fort.
»Laß mal, das mach’ ich schon«, sagte Antony. »Ist ja halb so wild.«
»Du machst es aber nicht anständig.«
»Mach’ ich wohl! Ist denn hier nicht irgendwo ein Besen?« Antonys Blick schweifte durch den Wintergarten und hielt an der Tür abrupt inne. »Jesses!« rief er aus. Die Tonscherbe fiel ihm aus der Hand und zerschellte am Boden.
»Antony! Ich hab’ dir doch gesagt …«
»Schau doch!« unterbrach er sie. »Wer ist das denn?«
Gillian wandte sich um und folgte seinem Blick. Vor der Tür stand ein Mädchen mit langem, weißblondem Haar, dunklen Augenbrauen und argwöhnischer Miene.
»Hi!« sagte sie durch das Glas. In ihrer hohen Stimme schwang ein amerikanischer Akzent mit. »Ich schätze, ihr habt mich nicht erwartet. Ich bin gekommen, um hier zu wohnen. Ich bin Zara, Fleurs Tochter.«
8
Als sie das achtzehnte Grün verließen, war Lambert puterrot und schwitzte. Frustriert verzog er das Gesicht. Die ganze Zeit, die sie nun auf dem Golfplatz waren, hatte Fleur
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