Religionen der Menschheit – Das EBook Weltreligionen sciebooks.de (German Edition)
der Armee des Pharaos mancherlei Wunder erfahren, Gottes Gebote am Berg Sinai erhalten, aber auch zur Tötung von Abweichlern schreiten, die während seiner Abwesenheit das „Goldene Kalb“ – eine klassische Fruchtbarkeitsgottheit - verehrten. Er wird aber auch eine Nichtisraelitin heiraten und mit seinem Schwiegervater, einem „Priester von Midian“ , gemeinsam Gott verehren. Im fünften Buch Mose (Deuteronomium) wird schließlich sein Tod auf dem Berg Nebo, in Sichtweite des verheißenen Landes Israel, berichtet – den er selbst also nicht aufgeschrieben haben kann.
Gab es Moses?
Außerhalb der Bibel finden sich keine sicheren Belege für die Existenz des Moses. Zwar sind Hebräer (Hapiru) als unterdrückte Ar beiter und Sklaven in Ägypten belegt, aber für die Geschichte des dramatischen Massenexodus fehlen die Belege. Daher wurde auch angenommen, Moses sei eine spätere Erfindung gewesen. So vertrat der Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud (1856 – 1939), der selbst einer jüdischen Familie entstammte, die These, dass es sich bei Moses eigentlich um den legendären Pharao Echnaton (14. Jahrhundert v. Chr.) gehandelt habe. Dieser war mit dem Versuch gescheitert, den ägyptischen Vielgötterglauben (Polytheismus) durch den Glauben an nur noch einen Gott (Monotheismus), Aton, zu ersetzen. Könnten die frühen Juden nicht einfach die Geschichte dieses Ur-Monotheisten aufgenommen und für die eigene Tradition umgeformt haben?
Nach intensiven Forschungen sowohl zur Entstehung der Bibeltexte wie auch durch die Archäologie sind jedoch einlinige Herleitungen von Moses immer fragwürdiger geworden: Weder ist davon auszugehen, dass sich alles genau so abspielte, noch, dass alles nur erfunden war. Vielmehr gibt es frühe und sehr unterschiedliche Moses-Überlieferungen, die dann miteinander verbunden, vermischt und neu ausgelegt wurden. Wahrscheinlich gab es einen Menschen namens Mose, dem dann nach und nach immer mehr Bedeutendes zugeschrieben wurde, bis er schließlich zum Zentralhelden des jüdischen Glaubens geworden war.
Die jüdischen Schriftgelehrten selbst beobachteten diese Fortschreibung sogar der schriftlich fixierten Traditionen übrigens bereits im Babylonischen Talmud mit einer Mischung aus Weisheit und Humor. So heißt es im Traktat Menachot :
„Als Mose zum Himmel fuhr, fand er den Allmächtigen damit beschäftigt, jeden einzelnen Buchstabe der Tora mit Blümchen und Zeichnungen zu zieren. Mose fragte Gott, was er da tue, und Gott antwortete, dass in einer der künftigen Generationen ein Mann sein werde, der aus jedem einzelnen Zug der Feder Haufen von Regeln herleiten würde: Akiba ben Josef. Da wünschte sich Mose, den Mann sehen zu dürfen, was ihm auch versprochen wurde. Die Tage des Akiba kamen und Mose besuchte dessen Schule, setze sich in den hinteren Reihen und hörte zu. Er verstand aber die gelehrten Argumentationen nicht und wurde mehr und mehr bestürzt. Als sich ein schwieriges Problem stellte und ein mutiger Schüler Akiba fragte, woher er die Autorität nehme, um seine Regel herzuleiten, antwortete der Rabbi: ‚Es ist eine Vorschrift des Moses, aus dem Sinai.‘
Da wurde Mose wieder stolz und munter.“
Und tatsächlich entspricht diese frühe Beobachtung auch dem Stand heutiger Forschung: Kein Mensch ist für sich „Religionsstifter“ und keine von Menschen gelebte Tradition s teht jemals still. Vielmehr wachs en au s mündlichen wie auch schriftlichen Überlieferungen immer neue Deutungen, Mythen und Varianten , die sich meist auch um zentrale Personen s ammeln. Wie aus einem Sandkorn o der einer Epithelzelle in einer Muschel eine Perle wird, indem sich Perlmutt anschichtet, so kann aus einem Menschen schließlich der Zentralheld ganzer Völker und Religionen werden. Ob es sich dabei einfach um historische Zufälle oder Gottes wundersame Wege der Erwählung und fortlaufenden Offenbarung handelt, kann die Wissenschaft nicht entscheiden . Man kann es also je glauben – oder auch nicht glauben .
1.3 Judentum – Volk und Gemeinschaft
In 5. Moses (Deuteronomium) 26,5 wird der Israelit aufgerufen, beim Betreten des verheißenen Landes vor Gott, Priester und Altar zu bekennen: „Mein Vater war ein heimatloser Aramäer. Er zog nach Ägypten und lebte dort mit wenigen Leuten als Fremder. Aber er wurde zu einer großen, starken und zahlreichen Nation.“
Das Judentum wuchs auch nach eigenem Verständnis aus einer Stammesreligion
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