Rembrandts Vermächtnis (German Edition)
Glocke am Fenster seiner Kammer befestigt, um seine Schätze in der Nacht besser zu bewachen. Andere Männer erzählten, dass sie Kredite aufgenommen hätten, weil sie keine Auktion verpassen wollten.
Und immer häufiger war von diesen Fällen die Rede, in denen jemand seine Zwiebeln nicht weiterverkaufen konnte, weil innerhalb weniger Stunden ihr Wert gefallen war. Manche ehrliche Familie musste ihr Haus und ihre ganze Habe verkaufen, weil sie durch zu hohen Einsatz alles verloren hatte. Ihnen blieb nur noch das Vagabundieren durch die Dörfer und Städte und das Betteln auf der Straße.
Auch mein Vater hatte zeitweise Verluste hinnehmen müssen. Doch er schöpfte stets neue Hoffnung und hatte es bisher immer geschafft, die Familie nicht ins Elend abgleiten zu lassen. Diese Ungewissheit machte mir Angst, und ich begann, mich vor der Macht dieser unheilvollen Zwiebeln zu fürchten.
Davon erzählte ich Rebekka, die aufmerksam zuhörte und dabei nur gelegentlich ihre Arbeit unterbrach.
„Lieber will ich mich anstrengen und von früh bis spät arbeiten, damit ich einmal ein tüchtiger Maler werde, als dass ich meine Zukunft auf eine Blumenzwiebel setze“, erklärte ich bestimmt.
„Ich hätte nicht gedacht, dass du so vernünftig bist. Bisher habe dich immer für einen Träumer gehalten. Nichts für ungut, Samuel. Aber jetzt komm, hilf mir auf die Beine. Mein Rücken ist ganz steif geworden. Und meine Hüfte macht mir schon seit dem Aufstehen Ärger.“
Während die alte Magd sich auf meinem Arm gestützt keuchend erhob, kam Cornelia in den Garten. Sie trug die Haare zu unterschiedlich dicken Zöpfen aufgesteckt. Mir gefiel sie so viel besser als mit der Haube, die sie immer trug, wenn sie aus dem Haus ging. Die Sonne ließ ihr Haar aufleuchten, und es sah aus wie die blank gescheuerten Kupferkessel, in denen Rebekka Gemüse und Suppe kochte.
Cornelia schlenderte durch den Garten, blieb hier und da an einem Beet stehen und pflückte ein paar Blüten, die sie zu einem Kranz verflocht.
„Vater mag so gerne diese sanft leuchtenden Farbtöne. Ich will ihm die Blumen ins Fenster hängen, dann kommt etwas vom Sommer zu ihm in die Werkstatt. Er findet ja doch keine Zeit, sich zu zerstreuen oder in den Garten zu setzen.“
Cornelia drehte den Kranz in ihren Händen und richtete einige Blüten auf. Ein Bildnis kam mir in Erinnerung, das der Meister von seiner ersten Frau gemalt hatte, als sie noch ganz jung war. Saskia trug ein Gewand aus grüner Seide und Gold schimmerndem Brokat, auf ihren langen dunklen Locken saß, wie eine Krone, ein dicht geflochtener Blütenkranz. 13
„Warte einen Augenblick“, bat ich Cornelia. Sie stutzte, als ich ihr den Kranz aus der Hand nahm und auf das Haar setzte. Ich hatte schon mit einer heftigen Abwehr gerechnet, doch sie war sofort von meiner Idee begeistert.
„Wie sehe ich aus?“, fragte sie und ging mit hoch erhobenem Haupt und würdevoller Miene den schmalen Weg zwischen den Rabatten auf und ab, wobei sie einer unsichtbaren Menschenmenge huldvoll zuwinkte.
„Wie die Göttin der Blumen in Person. Nur dass die bestimmt keine Katzenhaare an ihrem Kleid hatte.“ Rebekka stemmte ächzend ihre Hand auf die Hüfte und humpelte in die Küche. „Dass ihr aber pünktlich zum Essen kommt. Es gibt heute weiße Rüben, der Gemüsehändler hat sie mir billiger verkauft, weil sie so klein waren. Und ein Stückchen Speck von Sonntag ist auch noch übrig geblieben.“
Cornelia klopfte sich nachlässig die Katzenhaare aus dem Kleid und rückte den Blütenkranz gerade. Herausfordernd blickte sie mich aus funkelnden Smaragdaugen an.
„Was ist, Samuel, willst du mich nicht einmal so malen? Oder kannst du nur Katzen zeichnen?“
Mein Herz machte einen Satz wie Paulintje, wenn sie in der Diele eine Maus hinter den Bilderrahmen entdeckt hatte. Ich rannte die Treppe hinauf in meine Kammer und nahm dabei zwei Stufen auf einmal. Der Meister sah nur kurz von seiner Arbeit auf, als ich Sekunden später mit Papier und Kreide wieder an ihm vorbeilief.
Cornelia setzte sich auf die kleine Bank vor dem Rosenbeet und lächelte still. Mit glühenden Wangen versuchte ich, im Licht der tief stehenden Nachmittagssonne ihre ganze Anmut einzufangen.
Juni 1669
Mit großer Konzentration und Hingabe malte der Meister an dem Anatomiebildnis. Drei der Assistenten waren bereits fertig. Wenn er nicht wieder durch eine Krankheit zurückgeworfen würde, so würde er seinen Auftrag rechtzeitig zum Jubiläum des
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