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Rembrandts Vermächtnis (German Edition)

Rembrandts Vermächtnis (German Edition)

Titel: Rembrandts Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Guggenheim
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Meister nach dem rechten Lichteinfall suchte, öffnete oder schloss er die Fensterläden. Frühlingsluft drang ins Atelier, vermischt mit dem Geruch stickigen Grachtenwassers. Mir gefiel dieses ungewohnte Aroma, und mir gefielen auch Amsterdam und die Rozengracht, wo ich dem größten Maler der Stadt über die Schulter schauen konnte. Wenn es mir nur irgendwie gelänge, Geld aufzutreiben. Wenigstens so viel, dass es für ein zweites Lehrjahr reichte. Mit Gottes Hilfe würde ich es schon irgendwie schaffen.

    Allmählich wurden die Tage länger und wärmer. In dem kleinen, schmalen Garten hinter dem Haus zeigten sich die ersten Knospen. Hier war Rebekkas Reich, in dem sie sich ebenso unermüdlich und umtriebig zu schaffen machte wie in der Küche. Der Garten, den ein niedriger ockergelber Zaun umgab, war in eine Vielzahl kleiner, quadratischer Beete unterteilt. In ihnen hatte Rebekka Kräuter eingepflanzt und Blumen, streng nach Arten getrennt. Dill, Pfefferminz, schwarzer Senf, Kreuzkümmel, Koriander und Lavendel auf der einen Seite, auf der anderen Heckenrosen, Veilchen, Anemonen und ganz am Ende Hyazinthen. Neben der Tür schlängelte sich Efeu die Hauswand hoch und erreichte fast den Giebel. In einer Zisterne in der Mitte des Gärtchens sammelte sich Regenwasser, das zum Trinken und Kochen genutzt wurde.
    Wenn ich am Nachmittag mit dem Reiben und Mischen von Farben fertig war, half ich der Magd gelegentlich beim Unkraut jäten, wässerte die Jungpflanzen oder lockerte die Erde mit Humus auf. Das hatte ich früher oft getan, wenn ich meinen Vater zu den Blumenäckern begleitete. Sie lagen am Rand unseres kleinen Dorfes, gleich hinter dem Friedhof. Ich musste an die Tulpen-, Iris- und Lilienfelder denken, die in gelb, blau und rot inmitten der saftig grünen Weiden leuchteten, an den schweren Duft der Moschus- und Damaszenerrosen.
    „Du hast ein Händchen für Blumen“, meinte Rebekka, während sie auf den Knien zwischen den Beeten umherkroch und Samen in schnurgerade Furchen säte. Ich war erstaunt über ihre Worte. Sie gehörte nicht zu den Menschen, denen rasch ein Lob über die Lippen kam. Im Gegenteil, meist fand sie genügend Gründe für Kritik. „Hast du wohl von deinem Vater geerbt, wie? Warum wolltest du eigentlich nicht seinen Beruf erlernen? Dann könntest du später einmal das Geschäft übernehmen. Er sucht doch sicher einen Nachfolger.“
    Es stimmte, was Rebekka sagte. Mein Vater hatte mich schon häufig gefragt, ob ich nicht auch Blumenhändler werden wolle. Zwar war ich gerne mit ihm zusammen auf den Feldern und hörte ihm zu, wenn er von der Kraft der Natur erzählte und die Güte des Herrn lobte, der aus einer Knolle oder einem unscheinbaren Samen die schönsten Gewächse entstehen ließ. Aber ich hatte auch gelernt, dass Blumen Unglück über die Menschen bringen können.
    Einmal in der Woche trafen sich die Bewohner aller umliegenden Dörfer im Wirtshaus von Muiderkamp und redeten, tranken und handelten miteinander. Wir Kinder wurden mitgenommen, damit wir aus den Verhandlungen der Erwachsenen lernten. Hauptgesprächsthema waren Tulpen, jene plötzlich in Mode gekommenen Blumen, die noch vor wenigen Jahren in Holland völlig unbekannt waren. Ihre Zwiebeln verkauften sich teuer, und jeder wollte sie plötzlich haben in immer neuen Farben. Die Vielfalt war nahezu unermesslich. Es gab gelbe, braune, rosa- oder malvenfarbene Blüten, weiße mit flammendroten Streifen und solche, die bunt waren wie das Kostüm eines Harlekins.
    Sie trugen so klangvolle Namen wie „Admiral Pottebacker“, „General van Eyck“, „Rood van Catoleyn“ oder „Semper Augustus“. Nicht nur Berufsgärtner wie mein Vater züchteten Tulpen, jeder Fleischer, Torfstecher oder Schankwirt pflanzte sie in seinem Garten. Die Menschen waren wie im Fieber, denn jeder erhoffte sich riesige Gewinne. Einmal erlebte ich, wie an einem einzigen Abend eine Zwiebel sieben Mal den Besitzer wechselte.
    Ein Schuhmacher aus Makkum wusste damals zu berichten, dass sein Onkel ein Haus in Hoorn für drei Tulpenzwiebeln erstanden hatte. Seinem Vetter wurde eine Kutsche mit zwei Pferden zusätzlich zum Verkaufspreis angeboten, weil mehrere Käufer gleichzeitig um eine „Admiral Liefkens“ wetteiferten.
    Aber es gab auch ernste Stimmen, wie die eines alten Zimmermanns. Er beklagte sich darüber, dass er keinen Schlaf mehr fände aus Sorge um seine Tulpenzwiebeln. Er hatte sogar ein Seil quer durch den Garten gespannt und dieses mit einer

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