Rembrandts Vermächtnis (German Edition)
seien die Blumen Schauspieler, auf einer Bühne.
Nach einer Weile teilte sich der Vorhang. Meister Pieter erschien in Begleitung einer Frau von ungeheurer Körperfülle, die ihn um einen halben Kopf überragte. Sie sprach mit einer tiefen, temperamentvollen Stimme, musste zwischendurch aber immer wieder nach Luft ringen. Mit der rechten Hand stützte sie sich auf einen Stock mit silbernem Knauf, der die Form eines Hundekopfes hatte.
„Mein lieber Pieter, ich bin entzückt. Ihr habt bei den Blüten genau den richtigen Farbton getroffen, ein kräftiges, sinnliches Rosa. Ich liebe diese Farbe, ich kann mich an ihr einfach nicht satt sehen. Das neue Bild soll über dem Kamin in meinem Ankleidezimmer hängen. Ihr wisst schon, genau neben dem mit dem blassrosa Tulpenbouquet und dem venezianischen Spiegel.“
„Gnädigste haben ein außerordentliches Gespür für formvollendete Einrichtungen. Ich bin überzeugt, meine Bilder werden in Euren Räumen im besten Licht erscheinen.“
„Ich muss Euch etwas gestehen, lieber Freund. Letzthin habe ich mir von meinem Dienstmädchen die Leinenlaken für mein Bett rosa einfärben lassen. Und am liebsten würde ich sogar rosafarbene Kleider tragen. Oh, ich hoffe, ich habe Euch nicht schockiert. Aber ich begreife nicht, warum wir Holländer von Stand uns vorzugsweise in Schwarz kleiden. Diese Farbe hat doch etwas so Banales. Seien Sie ehrlich, lieber Pieter, harmoniert die Farbe der Nacht etwa mit dem rosigen Teint von uns Frauen? Lässt das Dunkel uns jünger oder begehrenswerter aussehen?“
„Meine Liebe“, antwortete Pieter Leyster, ergriff die Hand seines Gegenübers und beugte sich tief darüber, „ganz gleich, was und in welcher Farbe Ihr es tragt, Ihr werdet immer einzigartig aussehen.“
Die Frau stieß ein hohes, girrendes Lachen aus und tätschelte dem Maler den Arm.
„Ihr versteht es wirklich, den Frauen zu schmeicheln. Bereitet einstweilen alles vor, ich werde das Bild morgen abholen lassen.“
Mit einer galanten Verbeugung verabschiedete der Maler seine Kundin. Durch die offene Haustür konnte ich beobachten, wie sie draußen vor dem Haus in die Kutsche stieg. Mit einem rosafarbenen Taschentuch winkte sie dem Maler im Wegfahren zu.
Pieter Leyster drehte sich auf dem Absatz um und kam mit einem reumütigen Gesicht auf mich zu.
„Ich bin vollkommen untröstlich, dass ich dich warten ließ, lieber Samuel. Aber die Frau des Admirals de Breuningh ist meine beste Kundin. Sie verkehrt in den allerersten Kreisen und hat schon viele ihrer Cousinen und Freundinnen zu mir geschickt. Solche Käufer erwarten eine überaus pflegliche Behandlung.“
Ich stand auf, klemmte mir das Bild unter den Arm und wusste nicht so recht, wie ich das Gespräch beginnen sollte. Leyster kam mir zuvor.
„Du hast also das Porträt dabei. Ich möchte es mir jedoch später ansehen und die Vorfreude noch etwas verlängern. Zunächst will ich dir meine Bilder zeigen und danach die Werkstatt, wo meine Schüler arbeiten. Ich allein könnte die vielen Aufträge gar nicht bewältigen. Sag, wie gefällt dir das, was du hier ausgestellt siehst?“
Während ich noch zögerte und nach der richtigen Antwort suchte, drückte Meister Pieter aufmunternd meinen Arm.
„Du kannst ganz offen und ohne Scheu antworten. Ich kenne Rembrandt schon seit vielen Jahren und weiß sehr gut, wie er über Stillleben denkt.“
Ich überlegte, wie ich ihm erklären sollte, dass mir seine Bilder zwar gut gefielen, dass ich aber die Tiefe vermisste, wie die Abbildung von Menschen sie ermöglichte. Weil ich nicht unhöflich erscheinen wollte, wählte ich meine Worte sehr sorgfältig.
„Eure Werke sind von höchster Qualität und ausgesuchter Farbigkeit. Allerdings habe ich bemerkt, dass Ihr auf manchen Bildern Blumen kombiniert, die in Wirklichkeit zu ganz unterschiedlichen Zeiten blühen. So ist hier vorne eine weiß und rot gestreifte Gallica-Rose zu sehen. Doch sie ist längst verblüht, wenn sich die ersten Knospen dieser purpurfarbenen Paeonie entfalten. Wogegen die Weizenähre gleich daneben eine Herbstbotin ist.“
Pieter Leyster hob die Brauen und sah mich mit einem anerkennenden Lächeln an.
„Du besitzt eine scharfe Beobachtungsgabe, Samuel Bol. Woher kennst du dich in Botanik so gut aus?“
„Mein Vater ist Blumenzüchter und handelt mit Tulpenzwiebeln. Er hat uns Kindern von klein auf alles über Pflanzen gelehrt.“
„Diese Erziehung trägt bereits die schönsten Früchte. Aber dann frage ich
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