Rembrandts Vermächtnis (German Edition)
das mit purpurfarbenen Fäden ein Name eingestickt war: Samuel.
Das Porträt von Cornelia war fertig. Ich überlegte, ob man mich für überheblich halten könnte, wenn ich es signierte. Schließlich war ich nur ein Schüler und noch kein richtiger Maler. Aber dann schrieb ich in die untere rechte Ecke die Jahreszahl 1669 und genau in die Mitte zwischen die vier Ziffern ein lang gezogenes, schwungvolles S.
Es war früher Nachmittag, als ich mich auf den Weg zu Pieter Leyster machte. Cornelia hatte mir erzählt, dass Meister Pieter niemals vor zwölf Uhr mittags aufstehen würde. Noch wusste ich nicht so recht, was ich mir mehr wünschen sollte, dass dem Maler das Bild von Cornelia gefallen und er es kaufen würde, oder dass ich es behalten könnte. Letztlich aber ging es doch um die Frage, ob ich mein Lehrgeld zahlen und in Amsterdam bleiben könnte. Ich würde ein weiteres Porträt von Cornelia malen - ein noch schöneres.
Der Tag war heiß und schwül. Vermutlich würde gegen Abend ein Gewitter kommen. Aus den Grachten stieg ein strenger Geruch von Fäulnis auf, gegen den auch der Duft der Sommerblumen in den Gärten nichts ausrichten konnte. Viel zu lange schon stand das Wasser in den Kanälen. Blühende Algen hatten seine sonst achatgrüne Farbe in ein Korallenrot verwandelt.
Vor dem Eingang des großen, prächtigen Hauses, das genau an der Ecke von Rozen- und Prinsengracht lag, wartete eine elegante Kutsche mit zwei weißen Pferden. Der Kutscher saß auf dem Bock und machte ein Nickerchen. Um sich vor der sengenden Sonne zu schützen, hatte er ein helles Tuch über seinen ausladenden Hut gebreitet, das ihn bis zu den Schultern verhüllte.
Ich klopfte an, und nach einer Weile hörte ich von innen das Geräusch schwerer Schritte. Die Frau, die mir öffnete, war mittleren Alters. Über der Nasenwurzel und um die Mundwinkel herum zeichneten sich scharfe Linien ab. Ihr hellgrünes Seidenkleid war von zurückhaltender Eleganz und zeugte von Geschmack.
„Was willst du?“, fragte sie mit gerümpfter Nase und musterte mich argwöhnisch von oben bis unten.
„Ich möchte Meister Pieter ein Bild zeigen, das ich gemalt habe. Er hat gesagt, er möchte es sehen, wenn es fertig ist.“
Die Frau lehnte sich gegen den Türrahmen und blieb zaudernd stehen. Ich hielt ihr den Leinensack mit dem Bildnis entgegen, um ihr meine rechtschaffene Absicht zu beweisen. Das überzeugte sie.
„Wie heißt du? Ich werde dich meinem Bruder melden.“
Im Haus war es angenehm kühl. Die Frau verschwand in den hinteren Teil der Diele, den ein malvenfarbener Samtvorhang trennte. Von dort hörte ich die Stimme des Hausherrn.
„Bitte entschuldigt mich für einen winzigen Augenblick, meine Teuerste. Ich bin sofort wieder bei Euch und stehe dann ganz zu Eurer Verfügung.“
Mit ausgebreiteten Armen trat Pieter Leyster durch den Vorhang und kam auf mich zu. Eine Duftwolke aus Lavendel und orientalischen Gewürzen umgab ihn. Er trug weder Malerkittel noch Haube, wie ich es von dem Meister gewöhnt war, sondern einen Hausmantel aus indigoblauem Taft. Die weiten Ärmel waren mit goldenen Blüten bestickt, ebenso seine Pantoffeln. Leyster sah so gar nicht aus wie ein Maler bei der Arbeit, eher wie jemand, der sich besonders elegant angezogen hat, um einen hohen Gast zu empfangen.
„Samuel Bol. Ich hatte gehofft, dass du kommst. Und zugleich befürchtet, du würdest meine Einladung verschmähen. Komm, setz dich hierher und mach es dir bequem. Ich muss mich für einen Augenblick noch um eine liebe Bekannte kümmern. Sie hat ein neues Bild in Auftrag gegeben.“
Er wies mir einen Armlehnstuhl zu, dessen geschnitzte Lehne einen Pfau darstellte, der ein Rad schlug. Als Pieter Leyster wieder hinter dem Vorhang verschwunden war, hatte ich Ruhe und Muße, mich in der riesigen Diele umzusehen. Sie war Ausstellungs- und Verkaufsraum in einem.
Mein Blick fiel auf einen Schrank aus Ebenholz mit gedrechselten Säulen an allen vier Kanten. Blüten aus schillerndem Perlmutt zierten die Türen. Sicher war er kostbarer als alle Möbelstück im Haus von Pastor Goltzius zusammen. An den Wänden, auf Truhen und auf dem Boden häuften sich Bilder mit kunstvoll angeordneten Blumengebinden neben prunkvoll geschliffene Gläser, die mit dunkelrotem Wein gefüllt waren. Auf manchen Gemälden blinkten bronzene Kannen oder silberne Leuchter. Hin und wieder rahmten üppig gebauschte Stoffe, Säulen oder Vasen die Stillleben auf eine Weise ein, dass es schien, als
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