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Rembrandts Vermächtnis (German Edition)

Rembrandts Vermächtnis (German Edition)

Titel: Rembrandts Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Guggenheim
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ausgeführt waren. Doch alle hatten nur ein einziges Motiv. Junge Männer, sitzend, stehend, liegend, kniend, im Sprung über einen Bach oder an eine Säule gelehnt, und alle waren sie, bis auf ein schmales Tuch um die Hüften, nackt.
    Verstört senkte ich den Blick. Was für befremdliche Bildwerke. Sie ähnelten den Skulpturen griechischer Götter und Helden, wie ich sie aus den Almanachen von Pastor Goltzius und aus der Sammlung meines Meisters kannte. Nur dass diese hier nicht die strengen Profile antiker Heroen aufwiesen, sondern diejenigen holländischer Jungen und Männer. Einige erinnerten mich sogar an Meister Pieters Schüler.
    „Was sagst du? Gefallen dir die Bilder?“, fragte er und warf mir einen unsicheren, fast bittenden Blick zu.
    „Ihr habt ein gutes Auge für die Proportionen des menschlichen Körpers“, sagte ich vorsichtig. Ich hoffte, dass diese ausweichende Antwort Meister Pieter genügen würde. Diesem Mann, der sich mir gegenüber so großzügig erwiesen hatte, wollte ich meine zwiespältigen Gefühle nicht so unvermittelt zeigen. Außerdem war mir, als würde die Farbe auf den Bildern hin und wieder verschwimmen.
    „Dieselbe Schönheit und Vollendung, mit der die Natur eine einzelne Blume ausgestattet hat, findet ihre Entsprechung auch in der Gestalt eines jungen, erblühenden Menschen. Ich liebe die Anmut eines vollkommenen Körpers. Du gefällst mir, Samuel. Du gefällst mir sehr.“
    Es lag wohl an dem süßen Wein, der meine Sinne betäubt hatte, dass ich Leysters Worte kaum begriff. Ich presste die Hände gegen meine pochenden Schläfen und wünschte mir wieder mehr Klarheit in meinem bleischweren Kopf.
    „Ich will dich malen, Samuel Bol. Gleich hier. Jetzt.“
    Pieter Leyster streichelte meine Wange und ließ seine Hand ganz langsam über die Knöpfe an meinem Wams hinunter gleiten. Ich schüttelte heftig den Kopf. Was für ein Ansinnen! Jemanden unbekleidet darzustellen war etwas ganz und gar Ungehöriges. Eine antike Marmorfigur zu zeichnen, oder einen Toten für ein anatomisches Studienblatt, mochte angehen, aber es war schließlich etwas anderes, ein Porträt nach einem lebenden Modell zu malen.
    Als Meister Pieter mich an sich zu ziehen versuchte, riss ich mich erschrocken los und rannte zur Tür. Doch er war schneller und stellte sich mir direkt in den Weg. Er lachte leise. Ich duckte mich und wollte Richtung Fenster entfliehen. Im selben Moment umfassten die kräftigen Arme des Malers mich von hinten. Ich roch sein Parfum und seinen Schweiß, sein heißer Atem streifte meinen Nacken.
    „Du bist ehrgeizig, Samuel, das gefällt mir. Warum willst du nicht bei mir als Schüler anfangen? Bei mir brauchst du auch kein Lehrgeld zu zahlen. Ich verlange nichts von dir, fast nichts…“
    Verzweifelt versuchte ich, mich aus der Umklammerung zu befreien, doch der Meister presste mich nur noch fester an sich. Was war nur in ihn gefahren? So ungestüm hätte nicht einmal der wildeste Bursche aus Muiderkamp sein Mädchen beim Kirmestanz umarmt. Und dabei war ich ein Mann wie er. Als ich merkte, dass mir mein Widerstand nichts nützte, verharrte ich plötzlich starr und still wie eine Maus, die sich Auge in Auge mit der Katze befindet.
    „Na also, warum nicht gleich so“, flüsterte der Maler triumphierend, fuhr mit seinen Fingern durch mein Haar und spielte mit einer Locke. Ich riss den Kopf zur Seite und biss ihm in die Hand. Er stöhnte leise auf. Ich erschrak, dass ich mich zu einer solchen Tat hatte hinreißen lassen. Meinen Leichtsinn verfluchend, wollte ich mich gerade bei ihm entschuldigen, als ein Geräusch mich zusammenzucken ließ.
    „Meister Pieter, ich habe Euch überall gesucht. Ihr wolltet doch unsere Vorzeichnungen prüfen.“
    In der Türöffnung stand einer der vier Schüler. Seine Palette war zu Boden gefallen, die Farben flossen auf den schwarz-weißen Marmorfliesen bunt ineinander. Mit offenem Mund starrte er uns an.
    Abrupt ließ Pieter Leyster mich los. Er ordnete seine Kleider, hob die Schultern und warf dem Schüler ein entschuldigendes Lächeln zu. Ich dankte dem Allmächtigen dafür, dass er mich aus dieser verzwickten Lage befreit hatte. Wie der Blitz rannte ich zur Tür und stieß dabei aus Versehen mit dem Schüler zusammen. Unsere Blicke trafen sich. In seinen Augen lag Hass.

    Obwohl es auf der Straße unerträglich heiß war, fröstelte ich. Die Luft flimmerte vor meinen Augen. Taumelnd lief ich über die Brücke die Rozengracht zurück, wobei ich mich

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