Rembrandts Vermächtnis (German Edition)
Seine stechenden Augen blickten mich durchdringend an, und ich war aufs Neue verwirrt.
„Was für eine delikate Ausführung. Ja, das Bild gefällt mir, besonders die duftigen Blumen lassen mein Herz höher schlagen. Ich wäre sehr glücklich, wenn du es mir überlassen würdest. Welchen Preis verlangst du, Samuel?“
Mit einer solchen Frage hatte ich nicht gerechnet. Was konnte ein einfacher Malerschüler wie ich überhaupt für so ein Gesellenstück verlangen? Von Pastor Goltzius wusste ich, dass sich der Preis eines Bildes nach der Berühmtheit des Malers richtete.
Noch bevor ich etwas sagen konnte, beugte Leyster sich vor und berührte zart meine Hand.
„Aber vielleicht sagst du mir zuerst, wofür du das Geld verwenden möchtest. Wir werden uns schon einigen.“
Diesmal brauchte ich nicht lange zu überlegen. Die Worte kamen mir schnell und leicht über die Lippen.
„Mein Vater kann nur noch bis Oktober das Lehrgeld für mich bezahlen. Dann muss ich wieder nach Hause zurück. Aber ich will in Amsterdam bleiben und weiterhin bei meinem Meister lernen.“
Der Maler klappte seinen Fächer zusammen und seufzte.
„Bildnismaler! Was für eine Vergeudung für so ein Talent, das außerdem noch der Sohn eines Blumenzüchters ist und auf exquisite Art Pflanzen malen kann … Also gut, ich zahle dir so viel, wie du für zwei weitere Jahre bei Rembrandt benötigst. Zweihundert Gulden.“
Ich erschrak, diese Summe war ein Vermögen, und so viel konnte mein Bild doch niemals wert sein.
„Das kann ich nicht annehmen“, stammelte ich, „das Bild war eigentlich nur eine Übung, ich habe erst vor wenigen Monaten mit meiner Ausbildung begonnen …“
„Keine Widerrede. Ich bin Sammler, und wenn mir etwas gefällt, dann will ich es auch haben. Hier“, er öffnete eine kleine Schublade, die sich unter der Tischplatte befand und holte eine bernsteinfarbene Tabakdose heraus, in der Münzen klimperten. „Du sollst für deine Leistung angemessen bezahlt werden.“
Unter wirren Dankesworten steckte ich die Dose in meine Gürteltasche und zwickte mich dabei heimlich in den Handrücken, um sicher zu sein, dass dies alles kein Traum war.
Der Maler erhob sich und klappte den Deckel der Kommode hoch. Aus ihrem Inneren erschien wie von Zauberhand ein Tablett mit grün schillernden Gläsern und einer Karaffe, deren Henkel mit einer silbernen Efeuranke verziert war.
„Und jetzt wollen wir auf das erfolgreich abgeschlossene Geschäft etwas trinken. Auf dein Wohl, Samuel.“
Der dunkle Rotwein war süß und schwer, und weil mir heiß war, trank ich das ganze Glas in einem Zug leer.
„So ist es recht, aber auf einem Bein ist schlecht stehen“, befand der Maler und füllte das Glas erneut. Er steckte sich eine lange, tönerne Pfeife an, deren aromatischer Duft den ganzen Raum erfüllte. Ganz tief atmete ich den Qualm ein, der träge Spiralen durch die Luft zog, und fühlte mich auf eine seltsame Weise schwerelos.
Pieter Leyster wechselte das Thema und befragte mich nach meiner Familie und meiner Kindheit in Muiderkamp. Er zeigte eine solche Anteilnahme, dass ich allmählich meine Scheu verlor und mit freiem Herzen und gelöster Zunge erzählte. Bald redeten wir miteinander, als würden wir uns schon seit vielen Jahren kennen.
Er klopfte seine Pfeife aus und rückte seinen Stuhl näher zu mir heran.
„Ich will dir ein Geheimnis verraten, Samuel. Alle Welt nennt mich den ‘Blumen — Leyster’. Aber früher habe ich eine Zeit lang auch Bildnisse gemalt. Als ich allerdings feststellen musste, dass ich damit keinen Erfolg hatte und die Leute viel lieber Stillleben kaufen wollten, habe ich das Genre gewechselt. Mit Erfolg, wie du siehst. Trotzdem male ich auch heute gelegentlich noch Porträts. Allerdings nur zu meinem Vergnügen. Ich möchte dir gerne meine Bilder zeigen. Noch niemals hat sie ein anderer zu Gesicht bekommen.“
Neugierig horchte ich auf. Die Überraschungen wollten offenbar nicht enden. Pieter Leyster ging wieder zur Kommode und drehte an einem silbernen Knauf direkt darüber. An der gegenüberliegenden Wand öffnete sich eine Tür, die in der Täfelung verborgen gewesen war.
„Komm“, sagte er und fasste meine Hand. Der Boden unter meinen Füßen schwankte. Wir gingen durch einen schmalen, lang gestreckten Korridor, an dessen Ende sich ein Fenster befand. Die Wände waren mit Seide in dunklem Purpur bespannt. Überall hingen Bilder, die von gekonnter Hand und in einer ausgesuchten Farbigkeit
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