Rembrandts Vermächtnis (German Edition)
machte einen Salto rückwärts. Ich hatte richtig gewettet, Cornelia war sofort gefesselt und klatschte bei jeder Nummer laut Beifall.
„So einen möchte ich am liebsten auch haben. Ich glaube, Vater würde es mir sogar erlauben. Aber Paulintje kann Hunde nicht ausstehen. Vorige Woche habe ich gesehen, wie der Pudel von unseren Nachbarn mit blutender Nase vor ihr davongelaufen ist. Magst du eigentlich Hunde, Samuel?“
„Ja, ich hatte einmal einen, als ich zehn Jahre alt war. Einen kleinen schwarzen, er hieß Hondje. Er ist von einem Fuhrwerk überfahren worden.“
„Oh, das tut mir Leid. Hast du ihn sehr gemocht?“
Ich nickte stumm. Die Erinnerung an diesen Freund meiner Kindheit hatte mich traurig gemacht. Cornelia nahm meine Hand, und wir zwängten uns weiter durch die Menschenmenge. Es war kaum möglich, ein paar Schritte zu gehen, ohne angerempelt oder getreten zu werden. Auf dem Marktplatz und in den angrenzenden Straßen hatten Händler Verkaufsstände und Zelte aufgebaut. Glasbläser zeigten ihre Kunst und fertigten vor den Augen der staunenden Zuschauer Trinkschalen und Flakons. Stoffhändler priesen schimmernde Seide, Gold durchwirkten Brokat und feinstes Wolltuch an. Hölzernes Kinderspielzeug wurde neben Diamanten dargeboten, Schuhwerk neben Gemälden.
Bei einem Altkleiderhändler entdeckte ich ein wunderschön gearbeitetes kobaltblaues Wams mit Samtknöpfen. Es war genau in meiner Größe und hätte nicht einmal geändert werden müssen. Ich spürte den weichen Stoff zwischen meinen Fingern. Zu gern hätte ich es mir gerne gekauft, da ich doch jetzt durch den Verkauf von Cornelias Porträt eine hübsche Summe beisammen hatte.
Aber dann dachte ich daran, dass ich ja alles Geld für meine Lehrzeit brauchen würde und sparsam sein musste. Außerdem wusste ich, dass meine Mutter uns niemals gebrauchte Kleider gekauft hatte, selbst in der größten Not nicht. Keiner konnte schließlich wissen, ob sie nicht einmal einem Menschen gehört hatten, der an der Pest gestorben war. Mit leisem Bedauern schloss ich zu Cornelia auf.
Über der Mitte der Stadt lag eine Dunstglocke, die sich aus den unterschiedlichsten Düften und Gerüchen zusammensetzte. Überall gab es etwas zu essen oder zu trinken: geräucherten Fisch, Fleischsuppe, Pfannkuchen oder Bier. Ganze Ochsen und Schweine wurden gebraten, und kaum dass ein Tier verzehrt war, war auch schon für Nachschub gesorgt. Obwohl der Pastor in seiner Predigt vor Völlerei und übermäßigem Alkoholgenuss gewarnt hatte, waren bereits am frühen Nachmittag vereinzelt Männer und Frauen zu sehen, die sich am Straßenrand übergaben oder mit glasigen Augen vor den Eingängen der Schänken hockten.
„Wer will die Kuh mit den zwei Schwänzen sehen oder das Pferd mit sechs Beinen?“, polterte dröhnend eine Männerstimme. „Kommt alle zu mir und staunt, welche Absonderlichkeiten die Natur zustande bringt! Und wer mir eine Katze mit blauem Fell oder ein Kaninchen mit roten Punkten bringen kann, der braucht auch keinen Eintritt zu zahlen.“
Erschrocken machte Cornelia einen Schritt zurück, als sie einen schwarzhäutigen Mann entdeckte, der wie ein eingesperrtes Tier in einem Käfig saß. Er wurde von einem Zwerg bewacht, der dem Bedauernswerten ein Stück rohes Fleisch zwischen die Gitterstäbe warf. Auf allen Vieren stürzte der Schwarze sich darauf und verschlang es wie ein Hund.
„Dieser Mann hier war sieben Jahre lang Sklave bei den Türken“, rief der Zwerg in die Zuschauermenge und hielt die entsprechende Anzahl Finger in die Luft. „Wer seine Geschichte hören will, soll etwas Anständiges zu essen und zu trinken herbringen. Er wird von den abscheulichsten Dingen erfahren, wie sie noch nie ein Mensch zuvor erlebt hat.“
„Wie schrecklich, der arme Mann. Lass uns lieber zu den Clowns gehen“, schlug Cornelia vor und zog mich hinter sich her.
Vor dem Stadhuis hatte eine Wandertruppe eine Bühne aufgebaut. Zwei Vorhänge dienten als Kulisse. Ein Hanswurst hüpfte über die Bühne, drehte Pirouetten und schlug Purzelbäume. Mit wilden Grimassen und übertriebenen Handzeichen äffte er zwei würdig einher schreitende Edelleute nach, die um eine hübsche Frau buhlten.
Einige junge Männer im Publikum fühlten sich durch das Spiel auf der Bühne angespornt und pöbelten ein paar vornehme Bürgersleute an, die sich empört abwandten. Überhaupt schienen an dem Fest nur Menschen aus dem Volk teilzunehmen. Die reichen Bürger und Handelsherren blieben
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