Remember
Polizisten?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht, weil Schwule bei ihnen nicht sehr beliebt sind. Vor etwa zwei Wochen kam es in New York zu üblen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Homosexuellen. Ich hab darüber in der Zeitung gelesen und es kam auch mal was im Fernsehen. Das Ganze begann in einer Bar im Greenwich Village, Stonewall Inn heißt sie. Das hat mich ziemlich wütend gemacht.«
»Hattest du schon mal Probleme mit der Polizei?«
»Ein- oder zweimal. Aber nur wegen meiner Hautfarbe.«
»Tut mir leid.«
»Ist ja nicht deine Schuld.« Eric verschränkte die Arme hinter dem Kopf und sah rüber zu Michael. »Michael?«
»Hm?«
»Danke.«
»Schon gut.«
Michael gähnte, drehte sich auf die Seite und war wenige Minuten später eingeschlafen. Und obwohl er sich dagegen wehrte, konnte sich auch Eric dem Schlaf nicht länger entziehen.
Doch es gab jemand in diesem Raum, der nicht schlief, jemand, der in Wahrheit schon seit Stunden wach gelegen, die Wand angestarrt und jedes Wort, das gesprochen worden war, aufmerksam verfolgt hatte: George.
12
Als die Jungs mit ihren Frühstückstabletts den Aufenthaltsraum betraten, saß Annabel bereits am Tisch und nickte ihnen zu. Sie hatten gerade mit dem Essen begonnen, da trat Dr. Parker an ihren Tisch. »Guten Morgen. Bleibt sitzen, ich möchte euch nur etwas mitteilen.« Er nahm sich einen Stuhl vom Nachbartisch, setzte sich verkehrt herum darauf und legte seine Arme auf der Stuhllehne ab. »Also, ich habe gerade die ersten Untersuchungsergebnisse bekommen. Die gute Nachricht: Körperlich scheint ihr völlig gesund zu sein. – Die schlechte Nachricht: Ich habe immer noch keine Erklärung für euer Problem. Wir müssen also weiter nach der Ursache forschen.«
Annabel war nicht überrascht. Trotzdem hatte sie insgeheim auf eine einfache Erklärung gehofft. Eine, die so logisch und naheliegend war, dass man hinterher darüber gelacht hätte. Doch niemandem am Tisch schien jetzt nach Lachen zumute zu sein.
»Ich habe heute mit euren Eltern gesprochen und vorgeschlagen, dass ihr erst einmal hier in der Klinik bleibt«, fuhr Dr. Parker fort. »Etwas Ruhe wird euch guttun. Und Montag versuchen wir es dann mit einem zweiten Besuch eurer Eltern. Vielleicht braucht ihr nur ein bisschen mehr Zeit.«
Annabel tauschte mit den Jungs besorgte Blicke.
»Ich habe angeordnet, dass ihr ab morgen auch unter Aufsicht in den Park gehen dürft. Es wird euch dort gefallen. Wir haben einen kleinen Seerosenteich.«
»Ich hoffe, er hat heilende Kräfte wie die olle Quelle in Lourdes«, spottete Eric leise. »Dann versuch ich es morgen mal mit einer Arschbombe.«
Dr. Parker sah ihn kurz an und schmunzelte. »Es tut mir leid, dass ich keine besseren Nachrichten für euch habe. Aber mit ein bisschen Geduld wissen wir bald mehr.«
Damit verabschiedete er sich.
Annabel sah Michael an. Auf ein leichtes Nicken von ihm erhob sie sich von ihrem Platz und lief dem Doktor nach. Sie fing ihn an der Tür ab. »Dr. Parker?«
»Ja, Annabel? Hast du noch Fragen?«
»Sie sagten, ich könnte jederzeit zu Ihnen kommen.« Annabel bemühte sich, so gelassen und natürlich wie möglich zu klingen. »Hätten Sie heute vielleicht Zeit für mich?«
»Ist ein bisschen kurzfristig.« Dr. Parker schaute auf seine Uhr.
Annabel hielt den Atem an.
»Aber ich glaube, ich kann dich noch unterbringen. Sagen wir um zehn in meinem Sprechzimmer?«
Dr. Parker verließ den Aufenthaltsraum und verschwand auf dem Gang. Annabel drehte sich triumphierend zu den Jungs um und hob den Daumen.
»Wow, du willst das also wirklich durchziehen, was?«, fragte Eric, als sie sich wieder gesetzt hatte.
»Jetzt mehr denn je. Wenn auch nur die kleinste Hoffnung besteht, dass das Foto uns weiterhelfen kann, dann dürfen wir diese Chance nicht verstreichen lassen.«
»Annabel hat recht«, sagte Michael. »Wir haben gar keine andere Wahl.«
George schob geräuschvoll sein Tablett von sich und verschränkte die Arme. »Aber was ist, wenn sie uns erwischen? Habt ihr daran schon mal gedacht? Schaut euch doch die anderen Patienten an. Das Leben hier drin kann noch sehr viel schlimmer werden.«
Annabel sah ihn beschwörend an. »George, hör mir zu! Das wird nicht passieren, okay? Sie werden uns nicht erwischen.«
Annabel hatte erwartet, dass George wie immer einer Diskussion aus dem Weg gehen würde, um wieder seine Ruhe zu haben, doch sie täuschte sich.
»Habt ihr Schlaumeier auch daran gedacht, dass man erst durch das
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