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Remember

Remember

Titel: Remember Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Jungbluth
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Foto ist wirklich was dran. Was sollten wir deiner Meinung nach tun?«
    Annabel sah Michael an, dann Eric, dann George und dann lächelte sie. »Wir klauen es.«
    »Moment mal! Klauen?« Eric hob abwehrend die Hand. »Soweit ich das sehe, bin ich der einzige Schwarze in der Klinik. Dir ist doch klar, wen sie als Erstes verdächtigen werden, oder?«
    »Das nennt man Bauernopfer«, sagte George trocken.
    »Und das hier nennt man…« Eric zeigte George den Mittelfinger. Michael lachte.
    »Hört mal, ich meine es ernst«, ging Annabel dazwischen. »Ich will bloß, dass wir es uns einmal ansehen. Vielleicht stoßen wir ja auf einen Hinweis oder es steht irgendwas auf der Rückseite. Und es ist wirklich ganz leicht. Dr. Parker hat mir gesagt, dass ich mich jederzeit an ihn wenden könnte. Ich bitte ihn einfach morgen um ein Gespräch und überrede ihn zu einem kleinen Spaziergang. Und ihr schnappt euch in der Zwischenzeit das Foto.«
    »Wozu der Aufwand?«, fragte George. »Wir könnten uns das Foto doch einfach in seinem Zimmer ansehen.«
    »Und wie erklärst du Parker, warum wir das Foto sehen wollen? Wir müssten ihm von April Fay erzählen. Das wäre keine gute Idee.«
    Michael nickte. »Annabel hat recht. Wenn an dem Gerede von dem Haus mit den gelben Fenstern etwas dran ist, dann sollten wir auch den Rest ernst nehmen. Und der lautet: Vertraut niemandem.«
    »Stellt euch doch mal vor«, sagte Annabel aufgeregt, »vielleicht ging es der armen April einmal genauso wie uns. Vielleicht ist sie in diesem Zustand, weil man nicht herausfinden konnte, was mit ihr los ist. Ich will nicht enden wie sie.« Sie blickte in die Runde. »Also, was ist?«
    »Meinetwegen, Süße. Ich bin dabei. Was können sie schlimmstenfalls tun, wenn sie uns erwischen? Einsperren?«
    »Danke, Eric. Was ist mit dir, Michael? Bist du einverstanden?«
    Michael zögerte nur einen kurzen Moment. »Ist bestimmt besser, als herumzusitzen und zu grübeln. Und schlimmer kann es ja nicht werden.«
    »Toll! – George? Hilfst du uns?«
    George schien am wenigsten begeistert von Annabels krimineller Energie zu sein. Aber auch er gab seine Zustimmung.
    »Danke, Jungs!«
    »Hey, Michael! Irgendwie hab ich das Gefühl, dass unsere kleine Bella uns gerade über den Tisch gezogen hat.«
    Michael grinste. »Sieht ganz so aus.«
    Annabel musste ein Lachen unterdrücken. »Ach Eric, ich hatte nur Glück. – Und ich bin keine Bella. Meine Freunde nennen mich Anna.«
    11
    Eric öffnete die Augen und fror am ganzen Leib. Er hatte die Decke bis unters Kinn und die Beine an die Brust gezogen. Das Mondlicht fiel durch zwei hohe Fenster und tauchte das Zimmer in ein bläulich silbriges Licht. Er setzte sich auf und sein Blick glitt zu den Betten von Michael und George. Sie waren leer. Ein seltsames Gefühl der Einsamkeit überkam ihn.
    Er hörte Musik. Leise, unwirkliche Töne, die sich unter der Tür hindurchschlängelten, züngelnd an ihm emporkrochen und ihn erschauern ließen. Wo kamen sie her?
    Er stand auf und ging zur Tür. Der Knauf fühlte sich eiskalt an und vibrierte unter seinem Griff. Kaum hatte er ihn gedreht, wurde ihm die Tür wie von Geisterhand aus den Fingern gerissen. Er wollte sie greifen, fasste ins Leere und fand sich plötzlich mitten auf einer breiten Straße wieder. Er fühlte den rauen Asphalt unter seinen nackten Füßen und die kalte Luft, die unter seinen Pyjama wehte. Er hob den Kopf und starrte in ein blendend weißes Licht. Ein Windstoß erfasste ihn, als ein Auto dicht an ihm vorbeiraste. Weitere Autos folgten, hupten, wichen mit quietschenden Reifen aus und verfehlten ihn nur um Haaresbreite – doch er empfand keine Angst. Kälte und Müdigkeit hüllten ihn ein, ließen seine Gedanken träge werden, alles erschien ihm sonderbar logisch. Er las den Namen auf einem Straßenschild: Christopher Street. Und sah die weißgelbe Neonreklame in einem Fenster auf der anderen Straßenseite: The Stonewall Inn. Eine Bar. Er überquerte die Straße und ging hinein.
    Hier an der Quelle klang die Musik noch viel absonderlicher. Wie eine Schallplatte, die mal zu schnell, mal zu langsam spielte. Ein kaltes grelles Licht pulsierte im Rhythmus der Musik. Dazwischen hüllte sich der Raum in Dunkelheit.
    Eric schritt einen langen Tresen entlang, vorbei an meterhohen Regalen mit Flaschen und Gläsern und einem bunten Fenster mit Szenen, in denen nackte Körper unaussprechliche Dinge taten. Im flackernden Licht glaubte er, Bewegungen darauf zu erkennen, kleine

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