Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz
mussten die Kunden zufrieden sein.
Saara schreckte auf, als jemand ihr Kinn ergriff und ihr gewaltsam den Mund öffnete. Sie wehrte sich, aber der maskierte Entführer war stark. Die schmutzigen Hände des Mannes schoben ihr eine Tablette in den Mund.
Wer mir nahe ist, der ist dem Feuer nah. Wer fern von mir ist, ist fern vom Reich … Diesmal schluckte Saara die Tablette sofort. Beim letzten Mal war es ihr gelungen, sie auszuspucken, aber die neue war ihr wesentlich grober verabreicht worden.
Sie registrierte, dass Luuk nicht mehr im Raum war. Diese Beobachtung konnte ihr betäubtes Gemüt nicht erschüttern, sie lebte nur im gegenwärtigen Augenblick, und zu diesem gehörte es nun, den Kopf auf die schmutzige Wolldecke zu legen und die Augen zu schließen.
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Unruhig und frustriert saß Karri im Büro von RiskManagement in Amman. Er studierte die Landkarte, auf der er zusammen mit dem jordanischen Mitarbeiter der Firma die Route vom Flughafen zur irakischen Grenze eingezeichnet hatte.
Harry Waters war nach Al-Ghirbati aufgebrochen und hatte sich strikt geweigert, Karri mitzunehmen. Churchill und Baron waren von Bagdad nach Amman geflogen und vom Flughafen direkt nach Al-Ghirbati weitergefahren, um sich ein Bild von der Lage zu machen.
Timo Nortamos Maschine würde in drei Stunden landen, und Karri würde am Flughafen warten. Er merkte, dass er Vertrauen zu dem Finnen hatte – obwohl der Beamter war –, mehr als zu den Briten. Bei Avis am Flughafen hatte er bereits einen Wagen gemietet. Damit würden sie zur Grenze fahren und sich mit den Leuten von RiskManagement treffen.
Die Klimaanlage funktionierte nicht richtig, und Karri war heiß. Ihm fiel die Fahrradtour ein, die er mit Saara in Israel unternommen hatte. Verschwitzt, aber zufrieden waren sie auf den mit Bündeln beladenen, im Hotel geliehenen Rädern um den See Genezareth herumgefahren. Die Tour hatte nur 60 Kilometer betragen, aber der See lag in einem Graben 200 Meter unterhalb des Meeresspiegels, und das Klima hatte Karri zugesetzt. Damals hatte er in seiner Firma noch lange Arbeitstage geschoben und die fünf Tage Urlaub nur gemacht, weil Saara ihn dazu gezwungen hatte.
Über den See war eine Formation von F-16-Kampfjets hinweggedonnert, und überall hatte man Patrouillenfahrzeuge mit schweren MGs in Schrittgeschwindigkeit vorwärtskriechen und Autos überprüfen sehen. Saara hatte Karri nie religiöse Themen aufgedrängt, aber auf jener Fahrradtour war es nur natürlich gewesen, darüber zu reden, wie die Landschaft im Norden Israels vor 2000 Jahren ausgesehen hatte, als Jesus von Nazareth am Ufer eben dieses Sees gewirkt hatte. Hier hatte er Lahme geheilt, mit Petrus seinen berühmten Fischfang gemacht, und hier war er über das Wasser gegangen.
Karri hatte Saara gefragt, ob sie an die Wundertaten Jesu glaube, und sie hatte geantwortet, sie wisse es nicht. Nach all dem, was sie schon seit der Schulzeit immer wieder im Kopf hin und her gewälzt hatte, von ihrer wissenschaftlichen Arbeit ganz zu schweigen, hatte sie nur diese Antwort parat gehabt: sie wisse es nicht. Es war ihr ergangen wie vielen anderen auch: Je mehr sie den Dingen auf den Grund gegangen war, umso unsicherer war sie geworden. Millionen Menschen auf der Welt lasen das Neue Testament, aber die wenigsten wussten, wie es entstanden war, wer darüber entschieden hatte, welche Texte darin aufgenommen wurden und aus welchen Gründen.
Auch für Karri war die Entstehungsgeschichte des Neuen Testaments überraschend gewesen. Viele Christen hatten in den ersten Jahrzehnten des Christentums behauptet, ursprüngliche Apostel Jesu zu sein. Hunderte von Jüngern hatten um die Wette beteuert, die wahren Lehren Jesu zu unterrichten. Jahrzehntelang wurden die Worte Jesu in mündlicher Überlieferung weitergegeben und erst dann niedergeschrieben. Den Urchristen standen Dutzende von konkurrierenden Evangelien zur Verfügung, von denen dann vier im Gelehrtenstreit als Sieger hervorgingen.
Saara hielt es für ignorant, jene Texte, die nicht Eingang ins Neue Testament gefunden hatten, als »falsch« zu bezeichnen, nur weil sie wegen Zwistigkeiten von Schriftgelehrten nicht aufgenommen worden waren. Immer wieder waren von Kirchenmännern, die sich selbst zu »Verkündern der wahren Lehre« erklärt hatten, konkurrierende Auffassungen als Irrglauben verurteilt worden, den es mit allen Mitteln zu ersticken, zu zerstören und zu vergessen galt.
Johanna schälte in ihrem Büro eine halb reife, harte
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