Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz
weiß davon nichts!«
»Warum haben Sie den Diebstahl nicht bei der Polizei gemeldet?«
»Das hätte ich tun sollen. Aber mit diesen Dingen muss man vorsichtig sein. Da kann es schnell passieren, dass mein Waffenschein nicht erneuert wird.«
»Ist das der einzige Grund?«
»Verdammter Mist.« Kohonen strich sich über die Bartstoppeln und seufzte. »Ich hab damit ohne Erlaubnis Elche geschossen. Ich wollte aus dem Verschwinden der Büchse keine große Nummer machen, damit die Leute im Dorf nicht anfangen zu tuscheln. Das können sie hier nämlich.«
»Sie streiten also ab, sich des Mordes an Yli-Honkila, Salmi und Alavuoti schuldig gemacht zu haben?«
»Verdammt nochmal, na klar streite ich das ab! Ich hab sie nämlich nicht umgebracht!«
»Jemand hat das Gewehr gestohlen, die Morde begangen und die Waffe in Ihrem Schuppen versteckt, um Ihnen die Schuld in die Schuhe zu schieben?«
»Genau. So muss es gewesen sein.«
Johanna konnte nicht verhindern, dass sich ihre Lippen zu einem Grinsen verzogen. »Sie sind in meiner Laufbahn nicht der erste Verdächtige, der behauptet, er habe zur Tatzeit nicht gewusst, wo sich die Mordwaffe befindet. Ich werde Haftbefehl gegen Sie beantragen.«
Johanna stand auf, verließ den Raum und ging in ihr Büro. Sie überlegte, was sie ihren Vorgesetzten und den Medien mitteilen sollte. Zentralkripo hält Morde von Pudasjärvi für geklärt. Die polizeilichen Ermittlungen haben ergeben, dass es sich bei dem Täter aller Wahrscheinlichkeit nach um einen 51-jährigen Mann handelt. Gegen ihn ist Haftbefehl beantragt worden …
Der Fall schien klar, aber etwas an Kohonens Verhalten störte Johanna. War es denkbar, dass seine Behauptung, jemand wolle ihm die Schuld in die Schuhe schieben, stimmte? Diese Variante wurde durch nichts gestützt – außer durch Kohonens eigene Worte. Er hatte die Schmuckstücke natürlich mit Handschuhen anfassen können, aber wenn er mit ihnen so vorsichtig umgegangen war, warum sollte er es dann bei der Waffe nicht genauso getan haben?
Außerdem fehlte etwas Wichtiges: ein ordentliches Motiv.
Aus altem Groll, Verbitterung und aufgrund einer labilen psychischen Gesundheit könnte man ein Motiv ableiten, aber damit war Johanna nicht zufrieden. In Ermangelung eines Besseren musste es dennoch genügen.
Das Resultat ihrer Überlegungen war klar: Kohonen musste inhaftiert werden, dennoch musste man der theoretischen Möglichkeit einer inszenierten Schuld ebenso nachgehen. Hatte der Mörder die Hülsen absichtlich am Tatort liegen lassen, damit die Mordwaffe zweifelsfrei identifiziert werden konnte? Johanna hatte im Labor darum gebeten, an der Waffe auch noch Faser- und DNA-Tests vorzunehmen, sicherheitshalber. Sie wollte in diesem Fall nichts außer Acht lassen, denn sie musste sich eingestehen, dass Kohonens Verhalten überzeugend war.
Die endgültige Einschätzung der Behauptung, die Waffe sei entwendet worden, würde das Gericht treffen müssen, aber Johanna musste dafür alle nötigen Fakten liefern.
Um einem anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben, bedurfte es eines ganz anderen Charakters als beim bloßen Mord. Eine solche Inszenierung verlangte eine extrem ausgeprägte Planmäßigkeit, Fantasie und Intelligenz.
Johanna sah sich ihre alten Schemata an.
Am ehesten richtete sich ihre Aufmerksamkeit auf Rafiq Karam. Die Verbindung über dessen Bruder zu muslimischen Terroristen war ihr allzu weit hergeholt vorgekommen, aber wofür waren die Operationen von extremen Gruppierungen wie al-Qaida denn bekannt? Für Planmäßigkeit, Fantasie und Präzision.
Die Opfer hatten sich zum letzten Mal an einem Ort getroffen, der sich im Besitz von Rafiq befand. Rafiq war nachweislich in der Nacht von Freitag auf Samstag unterwegs gewesen.
Und das Motiv?
Unweigerlich kam Johanna die sture Behauptung Karri Vuorios in den Sinn, die Israelis seien in die Morde verwickelt. Rafiq wiederum verkörperte die Gegenseite Israels im Nahen Osten. Über Rafiqs Bruder bestand ein Link zu islamistischen Terroristen.
Diese Gedankenkette ließ Johanna aufschrecken. Getrennt voneinander waren Mossad und Araber Lichtjahre von Pudasjärvi entfernt. Aber zusammen genommen änderte sich das Bild.
Es ändert sich insofern, als es sehr interessant und zugleich sehr gefährlich wurde.
Falls der Mossad an Saara interessiert war, würde sich dann auch bei ihr eine Verbindung zu den Arabern finden lassen? Saara war über Jahre hinweg oft an den Brandherden des Nahen Ostens
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