Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz
in Oulu und war in der Region das maßgebliche Blatt. Über die Morde in Pudasjärvi wurde dort einigermaßen sachlich berichtet. Aus der Entführung von Saara Vuorio versuchte man dagegen mehr herauszuholen.
Höflich lächelnd brachte Rafiq das Essen. »Tuija kommt sofort.«
Er ging wieder in die Küche. Johanna aß mit Appetit die ausgezeichnete Mahlzeit und blätterte weiter in der Zeitung. Rafiq blieb in der Küche.
»Sie wollten mich sprechen«, sagte Tuija auf einmal hinter Johanna.
Johanna faltete die Zeitung zusammen und sah, dass Rafiq wieder aufgetaucht war, um am Serviertisch Bestecke zu sortieren. Tuija setzte sich.
»Stenlund hat sich Sorgen gemacht, ob Sie den Räuberbraten für die Touristen hinbekommen«, sagte Johanna lächelnd.
Tuija ließ sich von dem Lächeln nicht anstecken. »Was redet der Kerl für einen Blödsinn. Wir haben schon ganz andere Sachen gemacht.«
»Ist Kohonen auf Räuberbraten spezialisiert?«
»Er tut so, als ob.«
»Kennen Sie ihn gut?«, fragte Johanna und schob sich die letzten Reste ihres Essens mit der Gabel in den Mund.
»Einigermaßen.«
Frau Karam war eindeutig nicht in Plauderlaune, aber das konnte Johanna nicht erschüttern.
»Sie haben als Kind in derselben Gegend gewohnt?«
Tuija nickte.
Johanna registrierte etwas Ausweichendes im Blick der Frau. »Hat Ihnen Kohonen etwas getan?«, fragte sie direkt.
»Mir?«
Tuijas Überraschung wirkte echt.
»Ich meine damals, in Ihrer Kindheit oder Jugend.«
»Mir hat er nichts getan. Wieso?«
»Soweit ich verstanden habe, ist Ihr Verhältnis zu ihm gestört.«
»Ich habe ihn nie gemocht. Aber ich habe auch viele andere nicht gemocht. Genau genommen gibt es hier ziemlich viele Leute, die ich nicht mag.«
Johanna wiederum mochte Tuijas Tonfall nicht, auch nicht ihren Gesichtsausdruck oder besser die Ausdruckslosigkeit ihres Gesichts.
»Gibt es einen bestimmten Grund für das schlechte Verhältnis zwischen Ihnen und Kohonen?«
»Nein. Das habe ich doch gerade gesagt.«
»Soweit ich weiß, gehören Sie und Kohonen zu den Nicht-Gläubigen hier.«
»Und weiter? Nicht alle in Pudasjärvi sind Laestadianer.«
»Haben Sie vielleicht den Glauben Ihres Mannes angenommen? Ist er Schiit oder Sunnit?«
Die Provokation schien zu wirken. Tuija richtete sich auf, und in ihren Augen blitzte Verärgerung auf.
»Wieso gehört mein Glaube hierher? Aber wenn Sie es wirklich wissen wollen, kann ich Ihnen sagen, dass ich mich zu keiner Religion bekenne. Und am allerwenigsten rechne ich mich zum Neuheidentum.«
Johanna sah Tuija an, dass diese ihre Bemerkung gleich erläutern würde, darum sah sie die Frau nur fragend an.
»Ich bezeichne die Christen als Neuheiden. Und wissen Sie, warum?«
Johanna schüttelte den Kopf.
»Weil das Christentum voller Entlehnungen aus alten Mythen ist. Alle Wissenschaftler wissen das. Auch Saara. Aber den Laien gegenüber wird das lieber verschwiegen. Aus bestimmtem Grund.«
Johanna kam nicht dazu, eine Zwischenfrage zu stellen, weil Tuija sogleich weiterredete: »Sagen Sie mir, von wem ich jetzt spreche. Sein Vater ist Gott und seine Mutter eine Sterbliche, die jungfräulich geboren hat … er ist am 25. Dezember geboren … seine Geburt wurde von den Sternen angekündigt …«
Tuijas Sprechrhythmus wurde schneller, ihre Stimme dabei aber leiser. »… er ist ein stiller Mann mit langen Haaren und Bart … er hat zwölf Jünger … er verwandelt Wasser in Wein und erweckt Tote zum Leben … triumphierend reitet er auf einem Esel in die Stadt, und die Menschen schwenken Palmzweige zu seiner Ehre …«
Während sie sprach, fixierte Tuija Johanna intensiver als während des gesamten Gesprächs zuvor.
»… er stirbt am Kreuz, um die Sünden der ganzen Welt zu sühnen … drei Frauen, die ihm nachgefolgt sind, finden sein Grab leer … er ist am dritten Tage auferstanden von den Toten … seine Nachfolger feiern seine Auferstehung, indem sie Wein und Brot zu sich nehmen, welche seine Seele und seinen Leib darstellen.«
Tuija verstummte, dann fragte sie barsch: »Wen habe ich beschrieben? Ich habe Osiris und Dionysus und Mitra und andere Gestalten aus heidnischen Mythen beschrieben, die schon hunderte von Jahren vor Christi Geburt existiert haben. Und wissen Sie, wie die frühen Christen diese unangenehmen Übereinstimmungen mit den alten Mythen erklärten?«
Johanna saß still da und überließ Tuija den Genuss der Antwort, denn einen Genuss schien sie eindeutig zu verspüren.
»Den
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