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Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz

Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz

Titel: Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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aus der Entstehungszeit des Christentums kam. Seine Datierung war unanfechtbar. Saara war von vollkommener Gewissheit erfüllt. Das Thomasevangelium war der älteste Text, und er war unberührt geblieben – im Gegensatz zu den Evangelien des Neuen Testaments, die unter der Ägide der Kirche vielfach bearbeitet worden waren.
    Genau hierin lag einer der Gründe, warum die Kirche das Thomasevangelium nicht akzeptieren wollte: Die Worte Jesu, die darin geschrieben standen, betonten gerade, dass der Mensch seine geistliche Anleitung nicht in die Hände anderer legen durfte.
    Durch allerlei Machtkämpfe blind geworden, hatte die Kirche sämtliche Bewegungen zerstört, die für das Thomasevangelium eingetreten waren. Jener Jesus, den Thomas schilderte, erlaubte es nicht, ein Lehrgebäude zu errichten, das der Verbreitung der Kirche dienlich war und mit dem ängstliche, des Lesens unkundige Menschen unterdrückt werden konnten. Der Jesus des Thomasevangeliums sagte kein Ende der Zeiten voraus und ermächtigte auch keine Nachfolger. Die Throne der Pfarrer, Bischöfe, Kardinäle und des Papstes wurden nicht durch die Worte Jesu gestützt, sie waren eigenmächtig errichtet worden.
    Das Thomasevangelium enthüllte ein Geheimnis, das die Lehre anfocht, die von der Kirche seit zweitausend Jahren gepredigt wurde. Zweitausend Jahre hatten die Menschen das Reich Gottes an der falschen Stelle gesucht.
    Dieses Reich lag nicht irgendwo im Himmel oder in der Zukunft, sondern im Hier und Jetzt, im Herzen jedes Einzelnen, und die Menschen sahen es nicht.
    Saara spürte schwer die Müdigkeit in ihren Beinen, aber ihre Gedanken sprühten umso heller.
    Eure Anführer mögen euch sagen: »Das Reich ist im Himmel«, aber dann werden es die Vögel des Himmels früher erlangen als ihr. Auch können sie sagen: »Es ist im Meer«, aber dann erlangen es die Fische vor euch. In Wahrheit ist das Reich sowohl in eurem Innern als auch außerhalb von euch.
    Saara war bereit, alles zu tun, um ihren Fund zu retten, er durfte durch nichts gefährdet werden. Sie und Luuk hatten gemeint, in einer abgelegenen Gegend im peripheren Finnland den sichersten Platz zur Aufbewahrung gefunden zu haben, aber jetzt schien alles auf entsetzliche Weise schief zu gehen.
    »Bleibt dicht zusammen«, befahl Tuija auf Englisch vor dem Eingang zur Felsenkirche.
    Ihre Stimme und ihre ganze Erscheinung strahlten puren Hass aus.
    Beim Betreten des Kirchenraums warf Saara erneut einen Blick auf Tuija. Der schwere Rucksack schien sie zu drücken. Im vorderen Teil des Heiligtums brannte ein Lichtermeer aus Kerzen. Auf den Bänken saßen, mit dem Rücken zum Eingang, etwa ein Dutzend Menschen.
    Saara erkannte den Prediger Raimo Sinkko an der Stimme, obwohl sie seit Jahren nichts von ihm gehört hatte:
    »… der jenen drei Kindern Gottes das Leben entrissen hat. Ein solcher Mensch ist im See des Verderbens versunken, und seinen bedauernswerten Hilferuf kann kein christliches Ohr mehr vernehmen …«
    In der vordersten Bank schluchzte Erjas Tante vor Rührung. Der Prediger verstummte abrupt, als er Saara eintreten sah und mit ihr die übrige Schar, samt Tuija mit der Waffe in der Hand.
    Ein Raunen ging durch die Gemeinde. Eine schwarz gekleidete Frau sprang auf, um besser sehen zu können. Unter dem Metallgestell mit seinen hundert Kerzen, das von der Decke hing, füllte sich der Raum mit Getuschel. Die weißen, neugierigen Gesichter der allesamt dunkel gekleideten Gemeindemitglieder leuchteten im Kerzenschein.
    »Gott zum Gruße … Saara …«, sagte der Prediger unsicher. »Was … wer …« »Halt’s Maul, du Fanatiker«, brüllte Tuija außer Atem. »Diese Ausländer bleiben hier, und ihr kommt mit.«
    An Saara gewandt zischte sie: »Hol deine Rolle!«
    Saara ging an der Felswand entlang um die Bänke herum. Die Wand war feucht und schwarz. Der Prediger sah immer verwunderter drein. Die Gemeinde ebenso.
    »Bewegt euch!«, rief Tuija.
    »Ich weiß nicht, was du meinst, was hier eigentlich …«
    »Folgen Sie ihr«, sagte Timo ruhig. »Sie ist die Person, von der Sie gerade gepredigt haben.«
    Es dauerte einen Moment, bis der Prediger begriff, was Timo meinte.
    »Tuija Karam? Das kann nicht … Sie hat …? … Du hast …?«
    »Kommt hierher, jetzt sofort !«, rief Tuija wütend. Dann gab sie den Touristen Anweisungen auf Englisch.
    Saara blieb an einer Stelle stehen, wo die Felswand weniger steil aufragte. Sie hörte Timo zu den Gemeindemitgliedern sprechen, und dem aufgeregten

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