Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz
Windschutzscheibe auf verregnetes, deprimierendes Grau. Hier und da lagen noch Placken von Schneematsch auf der Straße. »Wir haben heute einen großartigen Wintertag – Schnee und genau die richtigen Minusgrade. Und in London?«
»Grau und regnerisch«, lachte die Frau.
Tomi betete innerlich, es würde klares Winterwetter herrschen, wenn die Maschine aus London landete und die Amerikaner ausstiegen. Falls die Wettervorhersage ausnahmsweise einmal stimmte, war das durchaus möglich.
Er beantwortete noch zwei weitere organisatorische Fragen, dann steckte er das Handy ein und stieg aus dem Wagen. Er stellte den Kragen auf und zog die Mütze mit dem Nordic-Safari-Aufdruck in die Stirn, um sich vor dem kalten Wind zu schützen.
Aus der Tür des Friseurs nebenan kam eine Frau mittleren Alters und starrte Tomi neugierig und argwöhnisch an. Die Nachricht über seine Festnahme hatte sich natürlich wie ein Lauffeuer verbreitet – zum Glück auch die Nachricht über seine Freilassung. Aber wussten jetzt auch alle über seine alte Haftstrafe Bescheid? Hatten sie gehört, dass er Erja im Zorn ein blaues Auge geschlagen hatte?
Missmutig riss Tomi die Tür zur Oase auf. Diesmal machte das Lokal seinem Namen tatsächlich alle Ehre. Es war warm, es duftete, und die Beleuchtung war gedämpft.
»Tag, die Herrschaften«, rief Tomi.
»Tomi, schön, dich zu sehen!«, sagte Rafiq, der im makellos weißen Hemd und in dunklen Hosen durch die Schwingtür aus der Küche kam. »Das war hässlich, was sie mit dir gemacht haben.«
Tomi hatte eigentlich nicht die Nerven, sich Rafiqs schmeichlerisches Gerede anzuhören, aber er wollte es sich mit dem Libanesen nicht verderben. Wenn er wollte, konnte Rafiq nämlich erstklassige Wildgerichte zubereiten, die Tomis ausländische Gäste zu schätzen wussten. Was Tuija kochte, war eher finnische Hausmannskost.
»Ist Tuija da?«
»In der Küche. Die Spülmaschine ist kaputt.«
Tomi ging in die Küche, wo Tuija versuchte, die Spülmaschine zu reparieren.
»Macht sie schon wieder Zicken?«, fragte Tomi und hoffte, Tuija würde nicht auf seine Festnahme zu sprechen kommen.
»Ja.« Sie stand auf. Wie üblich sah sie ernst und müde aus. »Muss den Mechaniker holen. Könntest du einen Vorschuss zahlen? Ich glaube nicht, dass der Mechaniker kommt, wenn er nicht bar bezahlt wird. Auch für das letzte Mal.«
Tomi war über die Vorschussforderung nicht begeistert. Tuijas Art, mit Geld umzugehen, ging ihm auf die Nerven. Gerade erst hatte sie Rafiq einen Laptop zum Spielen gekauft, und jetzt war für die Reparatur der Spülmaschine kein Geld mehr da. Aber die ausländischen Kunden, vor allem die, die jetzt kamen, waren Gold wert. Da musste alles stimmen, speziell der Service. Launo würde sich am Lagerfeuer im Wald um den Räuberbraten und den gegrillten Lachs kümmern, für das Mittagessen sollten jedoch die Karams verantwortlich sein. Auf dem Speiseplan standen Kartoffelpuffer mit Rogen und Crème fraîche, gepökeltes Ren mit Moosbeerensirup, Elchbraten und mit Pinienkernen gefülltes Schneehuhn, und als Nachtisch Lappenkäse mit Sanddorngelee. Ein solches Menü würde sogar Monsieur Chirac nicht verschmähen.
»Wie viel?«
»Sagen wir fünfhundert.«
»Vierhundert. Ich bringe das Geld gegen Abend vorbei.«
Tomi wandte sich um und wollte die Küche wieder verlassen. Rafiq stand an der Tür.
»Bleibt es bei dem vereinbarten Zeitplan?«, fragte er. »Du fährst mit dem Bus um zwei hier ab?«
»Spätestens um zwei. Hängt von den Straßenverhältnissen ab. Die Snacks für die Busfahrt bringt ihr um eins, wie abgemacht. Und keine Minute später.«
»Genau um eins«, bestätigte Rafiq und lächelte. »Keine Minute später.«
40
Karri vermied es, den Arabern in die Augen zu sehen, die den schmalen, gut beleuchteten Gehsteig bevölkerten. Der Verkehrslärm und die Hitze plagten seinen schwitzenden, müden Körper. Im Straßengewimmel sah man viele sorgfältig frisierte Köpfe, scharfe Bügelfalten, frisch gebügelte Hemden und polierte Schuhe.
Luuks angekündigte Reise nach Oulu beschäftigte Karri. Womöglich hatte sie gar keine beruflichen Gründe. War es Saaras Absicht gewesen, Karri den Besuch zu verheimlichen?
Die Vernunft schob die eifersüchtigen Überlegungen beiseite. Saara war eine Wissenschaftlerin aus Fleisch und Blut, keine einzige E-Mail hatte bislang darauf hingedeutet, dass ihr Verhältnis zu Luuk über die bloße Kollegialität hinausging. Vielleicht hatte Cornelia die
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