Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz
Dinge einfach nicht aus dem Blickwinkel des Wissenschaftlers deuten können und sah als Künstlerin alles viel emotionaler. Dennoch hatte Karri das Gefühl, als wäre die Beweislast auf ihn übergegangen: Er wollte Beweise dafür finden, dass Saara und Luuk kein Verhältnis hatten.
Aus Versehen stieß er eine verschleierte Frau an, von der man nur ein ärgerlich blickendes dunkles Augenpaar sah. Im selben Moment packte der bärtige Mann, der neben der Frau ging, Karri abrupt am Arm und sagte sehr schnell, sehr laut und sehr bedrohlich etwas.
Karri bat unwillkürlich auf Englisch um Entschuldigung, obwohl er nicht wusste, ob es klug war, überhaupt zu reagieren. Der Mann ließ noch ein paar Worte folgen, aber dann ließ er Karris Arm los. Rasch ging Karri weiter. Er hielt die neueste Ausgabe der ›Jordan Times‹ in der Hand, die er an einem Kiosk gekauft hatte, während er darauf wartete, an den Computer zu können. Der Lärm eines Hubschraubers übertönte den Straßenverkehr. Unruhig blickte sich Karri um, bis er über dem Antennenwald auf den Dächern einen Militärhubschrauber erkannte. Gleich daneben ragten die beleuchteten Minarette einer Moschee auf.
Karris Blick fiel auf die kugelsichere Weste, den Helm und die schwere Bewaffnung des Sicherheitsmannes vor dem Hotel Romero . Wenn es in Amman, der friedlichsten Hauptstadt des Nahen Ostens, so etwas gab, wie musste die Lage dann erst im Nachbarland Irak sein? Karri passierte den Sicherheitsmann und verschwand durch die Glastür im Hotel.
»Mister, der Computer ist jetzt frei«, sagte der schnurrbärtige Rezeptionist, und Karri begab sich direkt vor den abgenutzten Dell -Rechner in einer Ecke der Hotelhalle, die mit einem niedrigen Paravent abgetrennt war.
Er wischte sich den Schweiß von der Stirn, öffnete Saaras E-Mail-Seite und loggte sich mit dem Passwort Piruvaara ein. Er überflog die Überschriften und die Absender der eingetroffenen Nachrichten. Eine von ihnen weckte seine Aufmerksamkeit. Die Mail kam von Birgitta Högfors. Sie hatte mit Saara studiert und über die so genannten Schriftrollen von Qumran promoviert.
Neugierig las Karri die Mail, denn eigentlich war das Verhältnis zwischen Saara und Birgitta immer distanziert, kühl und konfliktträchtig gewesen. Das hatte scheinbar fachliche Gründe, aber Karri hielt einen simpleren Grund für wahrscheinlicher: Neid. Die Rollen von Qumran bildeten den Schwerpunkt des Instituts für Exegese, das zur theologischen Fakultät der Universität Helsinki gehörte und von der Finnischen Akademie zur Spitzenforschungsstelle auserkoren worden war. Birgitta wiederum war der Star des Instituts – eine Position, die wollte davon nichts wissen selbstverständlich für sich beanspruchte. Zwei ehrgeizige und begabte Wissenschaftlerinnen passten einfach nicht an ein Institut.
Birgittas Mail war kurz und prägnant:
Saara, ich weiß nicht, was du vorhast, aber Hasan hat nichts mit Q zu tun. Wie kommst du auf so etwas? Im DSS-Seminar vor zwei Jahren wurden die Thesen von Magen und Peleg behandelt, und ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass alle begriffen haben, wie unmöglich sie sind.
Ganz zu schweigen davon, dass der Bericht von de Vaux irgendetwas hiermit zu tun haben könnte.
B.
Der kühle Ton der Mail passte gut zum Verhältnis der beiden Frauen. Mit »Q« war vermutlich Qumran gemeint.
Plötzlich hatte Karri das Gefühl, als würde ihn jemand ansehen.
Er hob den Kopf und blickte über den Rand des Paravents. Eine jüngere, nicht arabisch aussehende Frau trat ungeduldig von einem Bein aufs andere und lächelte gequält. »Dauert es noch lange?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Karri zerstreut. Mit fast hypnotischer Melodie drang das Gebet aus den Lautsprechern der nahe gelegenen Moschee herüber.
Er richtete den Blick wieder auf den Bildschirm. An die Mail schloss sich die Frage von Saara an, auf die Birgitta geantwortet hatte:
Hallo Birgitta, wie läuft es in Princeton? Hoffentlich fühlst du dich wohl, ich habe jedenfalls nur positive
Erinnerungen an meinen Aufenthalt dort.
Ich komme direkt zur Sache. Es geht um etwas, das mit Qumran zu tun hat, und dabei möchte ich mich auf deine Kompetenz stützen. Wäre es aus deiner Sicht möglich, dass Ariel Hasan in Wirklichkeit von Anfang an bei Qumran mit dabei war? Ich will damit sagen, dass z. B.
der fehlende Bericht von de Vaux irgendwie mit den Thesen von Magen und Peleg in Zusammenhang stehen könnte. Wenn du Zeit hast, würde ich einen kurzen
Weitere Kostenlose Bücher