Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln
Serbe plötzlich, lachte grausam und wandte sich ab. Johanna erschrak dermaßen, dass sie in lautes Schluchzen ausbrach. Sie richtete ihren tastenden Blick auf Vasa, der an der Tür zur Seite trat und seine Komplizen samt den Geiseln vorbeiließ.
Anschließend kam er mit wenigen schnellen Schritten zu Johanna. »Ich habe dir das Leben gerettet. Als Gegenleistung würde ich es schätzen, wenn du dafür sorgst, dass mein Vater beerdigt wird. Neben meiner Mutter und meinem Bruder.«
Johanna nickte. Sie würde tun, was sie konnte.
Vasa wollte sich schon abwenden, fügte aber noch hinzu: »Die Frau, die wir in Riihimäki als Geisel nahmen ... Wie ist es ihr ergangen?« »Sie hat überlebt. Bald wird sie ihr Kind zur Welt bringen.« Auf Vasas ernstem Gesicht blitzte ein Lächeln auf. Dann verließ er als letzter Geiselnehmer die Maschine. Johanna schaute verzweifelt nach draußen. Sie hatte nichts tun können, um die beiden Geiseln im Flugzeug zu halten. Es war nur eine Frage der Zeit, wann die Sondereinheit zuschlug. Oder warteten sie ab, bis die Entführer losfuhren? Der russische Botschafter war jetzt die beste Lebensversicherung des finnischen Präsidenten. Die Geiselnehmer hatten sich ihre Taktik gut überlegt.
In der Kabine war es zunächst ungewöhnlich still. Niemand verstand so recht, was passiert war. Dann hörte man einige gelöste Bemerkungen. Jemand fing an, vor Erleichterung zu weinen. Einige Ehepaare umarmten sich.
Die Geiselnehmer hatten tatsächlich das Flugzeug verlassen. Die Geiseln waren frei.
Johanna empfand keine große Freude, sondern verfolgte durchs Fenster, wie die Serben ihre beiden verbliebenen Geiseln in den Kleinbus stießen. Es erschütterte sie, zu sehen, wie einer der Geiselnehmer seinen Zorn am Präsidenten Finnlands ausließ, indem er ihm mit der Faust ins Gesicht schlug.
Währenddessen kam immer mehr Bewegung in die Mitglieder der Sondereinheit hinter den gepanzerten Fahrzeugen. Johanna begriff, dass die Katastrophe rasch näher rückte. Die weißrussische Führung würde die Entführer nicht frei auf ihrem Staatsgebiet herumlaufen lassen, und sie hatten nur noch zwei Geiseln. Es schien immer wahrscheinlicher, dass die Sondereinheit sich bereit machte, um den Kleinbus zu stürmen - ungeachtet des russischen Botschafters.
Der Kapitän des Airbus trat aus dem Cockpit in die Passagierkabine. »Wo ist der Schlüssel für die Handschellen?«, rief Johanna. »Oder eine Nadel oder irgendetwas Spitzes?«
Der Kapitän drehte sich um und ging ins Cockpit zurück.
64
Danilo stellte den Fahrersitz des Kleinbusses für sich passend ein und blickte nervös auf die gepanzerten Fahrzeuge, deren kantige Silhouetten sich in einiger Entfernung im Sprühregen der kaltblauen Morgendämmerung abzeichneten.
Er probierte die Schaltung aus und bewegte das schwere Lenkrad. »Ein grauenhafter Traktor. Aber der Tank scheint immerhin halb voll zu sein.«
Stanko setzte sich hinter ihn. Er hielt sein Handy ans Ohr, denn er hatte bei einer Bank in Malaysia angerufen, sein Benutzerkennzeichen durchgegeben und die jüngsten Kontobewegungen einer bestimmten, auf den Britischen Jungferninseln registrierten Firma abgefragt. Der Druck, der auf Slobos Nerven lastete, entlud sich in seinem groben Umgang mit den Geiseln. Er verband dem Botschafter und dem Präsidenten mit einem Schal die Augen und zog den Knoten so fest zu, dass der Präsident laut aufstöhnte.
»Muss das sein?«, fauchte Jasmin ihn auf Schwedisch an. »Du bist doch nicht so ein Irrer wie die da.« Jasmin machte eine Handbewegung zu Zlatan und Danilo.
Slobo schaute kurz zu Zlatan hinüber und sah diesen den Blick auf Jasmin heften.
»Schnauze!«, zischte Slobo auf Englisch. Jasmin hatte gegen eine wichtige Regel verstoßen: Sie hatte Slobo in Gegenwart der Geiseln vertraulich angesprochen. Und zu allem Überfluss hatte sie Zlatan als Irren bezeichnet.
Zornig wandte sich Jasmin ab und starrte nach draußen, wo die Fahrzeuge der Sondereinheit stumm auf ihren Einsatzbefehl warteten.
»Entschuldige«, sagte Slobo zu Zlatan. »Sie ist nervös und müde, sie weiß nicht, was sie redet.«
Zlatan machte sich gar nicht erst die Mühe, zu antworten.
Stanko beendete sein Telefonat und hob den Daumen. Dabei funkelten seine Augen im Schlitz der Sturmhaube. Der Eingang des Geldes auf ihrem Konto war bestätigt worden, aber noch waren sie zu angespannt, um in Triumphgeheul auszubrechen.
»Fahren wir?«, fragte Danilo am Steuer.
Vasa hielt den Blick
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