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Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln

Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln

Titel: Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Geiseln
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die Geiselnehmer umgebracht haben.« Während sie das aussprach, spürte sie in ihrem tiefsten Inneren einen schmerzhaften Stich.
    Der Major wurde ernst. Er nahm sein Funkgerät und sagte etwas auf Russisch.
    Johanna ging inzwischen zu ihrem Platz, beugte sich nach vorn und nahm den unter dem Sitz angeklebten Empfänger des Mikrofonsenders an sich. Sie steckte das zigarettenschachtelgroße Gerät in ihre Handtasche und trat wieder auf den Gang, wo sich schon unschlüssige Passagiere drängten.
    »Verzeihung«, sagte Johanna knapp und bahnte sich mit den Ellbogen einen Weg zum Cockpit, um von dort aus Kontakt mit Helsinki aufzunehmen.
    Der Major trat ihr in den Weg.
    »Aussteigen! Alle Passagiere werden mit Bussen zum Terminal gebracht. Die Piloten verlegen die Maschine auf den für sie vorgesehenen Platz.« »Wir werden die Maschine nicht verlassen, bevor wir nicht mit Helsinki gesprochen haben«, entgegnete Johanna entschieden. »Unser Außenministerium ...«
    »Heben Sie sich ihre Reden für später auf. Die Busse sind bereits auf dem Weg, Sie können die Passagiere hinausführen. Aber zuerst bringen wir die Toten in eines unserer Fahrzeuge.«
    Johanna gab widerwillig auf. Draußen hörte man schon Motorengeräusche. Ein Polizeifahrzeug hielt neben der Gangway, gefolgt von zwei Bussen.
    Die Männer trugen die Toten routiniert die Treppe hinunter und luden sie in das Fahrzeug. Dann verließen alle finnischen Passagiere die Maschine. Viele stützten sich gegenseitig, während sie die Gangway hinuntergingen. Bei manchen waren die Beine nach dem stundenlangen Sitzen und durch die psychische Belastung so schwach, dass sie fast getragen werden mussten. Einige hatten sich zum Schutz gegen den Wind Wolldecken um die Schultern gelegt.
    Johanna ließ sich die ganze Situation besorgt durch den Kopf gehen. Waren die Passagiere jetzt in Sicherheit?
    Noch einmal bat sie den Major, Kontakt mit Finnland aufnehmen zu dürfen. Außerdem verlangte sie eine Karte der Umgebung.
    Der Major seufzte. »Gute Frau, Sie frieren in dieser Aufmachung. Schließen Sie sich den anderen an, dann kommen Sie ins Terminal, dort gibt es Decken und etwas zu essen.«
    »Ich brauche keine Decken, ich brauche ein Telefon.«
    Der Major schnaubte etwas auf Russisch und stieg wütend in ein Panzerfahrzeug, das sofort losfuhr.
    Heinonen winkte Johanna zu sich in den Bus. Alle anderen waren bereits eingestiegen. Johanna war sich immer sicherer, dass etwas nicht stimmte.
    Nasskalt und bewölkt brach der Morgen nordöstlich von Minsk an. Inmitten des fahlen Ackerlandes, sechs Kilometer vom Dorf Haradski entfernt, war ein einzelner, hellblauer Kleinbus auf der Landstraße zu erkennen.
    Der Bus bremste abrupt und bog ohne den Blinker zu setzen in eine unbefestigte Straße ein. Er fuhr weiter in ein bewaldetes, hügeliges Gebiet, wo er bald einige alte, große Anwesen erreichte. Viele davon waren stark heruntergekommen, aber sie erinnerten noch immer an das glanzvolle Leben vor der kommunistischen Herrschaft.
    Nach den Anwesen wurde die Straße schmaler und führte eine Anhöhe hinauf. In den Buchen hing stellenweise noch trockenes, braunes Laub. Die Bodenvegetation und das Unterholz wurden immer dichter. Nachdem sich der Kleinbus eine Weile den steilen Anstieg hinaufgequält hatte, bog er in einen Seitenweg ein, der immer tiefer in den von Farn überwucherten Wald hineinführte. Schließlich endete der Weg, und das Auto fuhr auf ein mit Gras bewachsenes Grundstück, das an einer Seite von einem mit Steinen befestigten Hang begrenzt wurde. Auf der anderen Seite erhob sich ein gutshofartiges Gebäude, dessen Wände von Efeu überrankt waren. Vom Dach des Turmes, der zu dem Haus gehörte, hing ein rostiges Blech herab, das einst zum Ausbessern verwendet worden war; mehrere der Bogenfenster waren mit Spanplatten vernagelt. Trotz allem sah man dem Gebäude an, dass der ehemalige Bauherr sich mittelalterliche Burgen zum Vorbild genommen hatte.
    Langsam fuhr der Kleinbus auf den alten Pferdestall zu, dessen Türen offen standen. Das Auto hielt im Stall, wo bereits ein Pkw parkte. Schweigend stiegen die Insassen aus dem Bus. Als Letztes stieg die finnische Geisel aus. Mit einem Fuß tastete er nach dem Boden, weil ihm noch immer die Augen verbunden waren. Der russische Botschafter war schon an der Landstraße nach Mahiljou, unweit des Flughafens, abgesetzt worden.
    Vasas Leute hatten die Sturmhauben abgenommen. Stanko und Danilo führten die Geisel in die hohe

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