Remes, Ilkka - 8 - Tödlicher Sog
gerade angerufen. Julia ist tot.«
Tero starrte seinen Sohn an und ließ sich neben ihn aufs Sofa fallen, unfähig, etwas zu sagen oder zu denken.
»Es war ein Versehen«, sagte Roni mit zitternder Stimme.
»Was?« Tero konnte den Blick nicht von seinem Sohn abwenden. »Was war ein Versehen?«
»Ich bin ausgerastet ... Das hab ich doch schon gesagt! Ich hab sie gewürgt ... Aber davon stirbt man nicht, da kann einer sagen, was er will! Jemand anders hat es getan, der Unbekannte, der bei ihr war ... irgendwelche Leute.« Tero räusperte sich und wollte etwas sagen, aber seine Stimmbänder gehorchten ihm nicht. Er räusperte sich noch einmal, dann bat er kaum hörbar: »Erzähl mir alles. Alles.«
Roni rührte sich nicht.
»Hast du verstanden?!« Tero schlug sich mit den Händen so fest auf die Knie, dass die Handflächen schmerzten. Er erschrak selbst, denn er wurde sonst so gut wie nie laut.
Roni fing an zu sprechen, stockend, mit zitternder Stimme. »Zuerst fuhren wir in Hakunila herum. Dann stiegen wir aus und gingen im Wald spazieren. Wir bekamen Streit. Sie ging auf mich los, und das machte mich wütend ...« »Nimmst du immer noch ... das Zeug?«
Roni schluchzte und nickte.
»Ich habe es dir doch verboten!«
Ronis Blick hellte sich ein wenig auf. »Diese Mittel verursachen Wutausbrüche, das ist dir doch auch aufgefallen«, sagte Roni nun etwas lauter und deutlicher.
»Und ich habe dir befohlen, sie nicht mehr zu nehmen«, er widerte Tero und legte Roni den Arm um die Schulter - und um den kräftigen, muskulösen Nacken, der unzählige Kurven und Beschleunigungen aushalten musste ...
»Niemand stirbt wegen so etwas. Nicht mal ein Vogel stirbt von so einem bisschen Würgen ...«
»Warum, um Himmels willen, bist du weggerannt? Obwohl du gesehen hast, dass Julia ohnmächtig war.«
»Ich bin in Panik geraten. Ich hatte Angst, die Polizei würde mir die Schuld geben, auch wenn Julia zuerst auf mich losgegangen war. Und als ich zurücklief, war schon jemand bei ihr. Um ihr zu helfen, dachte ich. Ich schämte mich, ich wollte nicht gesehen werden. Aber der Unbekannte hat Julia umgebracht, eine andere Erklärung gibt es nicht... Was soll ich jetzt tun ?«
»Was du tun sollst ...« Tero sah sich nicht in der Lage, seine Gedanken zu ordnen. War es möglich, dass der Fluch, der auf ihm selbst lastete, auf Roni übergegangen war? Er wehrte den Gedanken sofort rigoros ab. War es stattdessen denkbar, dass die Steroide, die Roni zur Stärkung der Nackenmuskulatur nahm, einen so wahnsinnigen Wutausbruch ausgelöst hatten? Der Arzt, der ihn betreute, Herkko Tyni, hatte bei Roni keine eindeutigen Gemütsveränderungen oder Aggressionsschübe erkennen können, aber trotzdem hatte Tero seinem Sohn befohlen, mit der Einnahme der Substanzen aufzuhören.
Er stand auf. Kurz überlegte er, Herkko anzurufen, aber sein gesunder Menschenverstand wies den Gedanken zurück.
»Wir gehen zur Polizei«, sagte er. »Dort erzählst du von vorne bis hinten, was passiert ist.«
Roni nickte, fast erleichtert. »Jetzt gleich?«
»Sofort.«
Sie gingen in den Flur.
»Beschreib mir alles noch einmal, aber ganz genau«, verlangte Tero, während er seine Jacke anzog. Er hörte seine eigene Stimme wie die eines fremden Menschen, seine Bewegungen waren die eines anderen, er wusste nicht, was er tat, aber dennoch handelte er.
»Wir bekamen Streit .« »Weswegen?«
»Was spielt das für eine Rolle?«, schnaubte Roni und zog die Schuhe an. »Ich habe doch gesagt, ich will alles hören.« Tero gab sich Mühe, einen Wutausbruch zu unterdrücken.
»Julia hat mir gedroht. Sie hat damit gedroht, zu enthüllen, dass ich Steroide nehme.«
Tero hielt in seinen Bewegungen inne. »Woher wusste sie davon?« Roni seufzte schwer. »Ich hatte es ihr erzählt. Vor langer Zeit. Aber jetzt kam es wieder zur Sprache.«
Tero starrte Roni bestürzt an. »Julia hat dich erpresst, weil du sie verlassen wolltest. War es so? Sie drohte damit, dich des Gebrauchs von Steroiden zu bezichtigen?«
»Ich hab sie gefragt, ob sie wirklich alles kaputt machen will, was ich mir zwölf Jahre lang aufgebaut habe.« Tränen traten in Ronis Augen, und seine Stimme stockte. »Sie hat gesagt, ja. Ich war ihr egal, weil sie ja auch mir egal wäre. Da bin ich weg, aber sie ist mir hinterhergerannt ... hat sich auf mich gestürzt und mich geschlagen ...«
Teros Blick wanderte von Ronis feuchten Augen zur Schramme auf der Wange. »Die ist von einem Zweig«, sagte Roni. »Und
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