Remes, Ilkka - 8 - Tödlicher Sog
dann bin ich eben auch ausgerastet. Ich hab sie auf den Boden gedrückt und sie am Hals gepackt, aber sie hat immer weiter auf mich eingeschlagen ... und ich hab immer fester zugedrückt...«
»Du hast in Notwehr gehandelt«, sagte Tero, aber es klang auch in seinen eigenen Ohren überzogen. Er konnte nicht verhindern, dass sich ihm erneut schmerzliche Erinnerungen aufdrängten, Bilder aus seinem eigenen Leben, die er normalerweise zu verdrängen wusste. »Du hast sie im bewusstlosen Zustand liegen lassen - das wird man wahrscheinlich als unterlassene Hilfeleistung deklarieren und natürlich als schwere Körperverletzung. Hast du noch mehr Spuren an dir, außer der Schramme da?«
»Ich weiß nicht... wahrscheinlich schon ..« »Zieh Hemd und Pulli aus!« Roni gehorchte unverzüglich und stand kurz darauf mit nacktem Oberkörper da. Tero drehte ihn um.
»Wo?«
Roni schaute auf seine Arme und Seiten. »Überall. Aber es waren natürlich keine harten Schläge.«
Tero führte Roni ein paar Schritte zur Seite, an eine Stelle im Flur, auf die mehr Licht fiel, aber er konnte keine sichtbaren Spuren entdecken. »Wie stark hat Julia zugeschlagen?«, fragte er mit festem Blick in Ronis Augen. Gleichzeitig zog er seine Handschuhe an. »So?«
Er versetzte Roni einen leichten Knuff in die Rippen. »Oder so?« Er schlug weiter zu, immer fester, auf verschiedene Stellen. »Noch härter«, sagte Roni und sog hörbar Luft durch die Nase ein.
Tero schlug seinem Sohn auf den Brustkorb, in den Magen und packte ihn grob an den Armen. Roni ließ alles über sich ergehen wie ein lebloser Sandsack.
Mit einem Mal ließ Tero mitten im Schlag von ihm ab. War er verrückt geworden? Was machte er hier eigentlich?
»Was ist?«, fragte Roni außer Atem.
»Das ist nicht richtig«, keuchte Tero und rang um Fassung. »Nicht vernünftig. Zieh dich an.«
Roni zog T-Shirt und Pulli wieder an und warf sich die Jacke über. Einen Moment lang sahen sich Vater und Sohn in die Augen, bis Tero sich einen Ruck gab und die Haustür öffnete. Durch den Bewegungsmelder sprang die helle Halogenlampe an und beleuchtete das regennasse Grundstück. Tero ging auf seinen Aston Martin zu.
»Warum hast du Julia von den Steroiden erzählt?«, fragte er beim Einsteigen. 16
»Ich wollte mit jemandem darüber reden. Und damals glaubte ich, dass ich ihr vertrauen könnte.«
Tero ließ den Motor an und fuhr los. Er steuerte das Ostzentrum an, wo sich das nächste Polizeirevier befand. Er hatte dort selbst einst mehrere Monate gearbeitet, vor langer Zeit, in einem anderen Leben.
»Soll ich der Polizei etwas über die Steroide sagen?«, fragte Roni. Stille breitete sich zwischen ihnen aus, die schließlich von Tero unterbrochen wurde. »Solche Dinge landen immer irgendwann in der Zeitung. Das wäre das Ende deiner Karriere.«
»Ist die nach einem Gerichtsurteil nicht sowieso vorbei?«
Tero umklammerte das abgegriffene Kirschholzlenkrad und hielt den Blick fest auf den Asphalt im Scheinwerferlicht gerichtet. Er bremste und fuhr an einer Bushaltestelle an den Straßenrand.
Eine Weile starrten beide wortlos vor sich hin.
»Du hast Valtteri vor dem Gefängnis gerettet, bist aber bereit, mich hineinzustecken«, sagte Roni dann. »Obwohl ich unter dem Einfluss von Steroiden gehandelt habe. Glaubst du, mir wäre das ohne Hormone passiert?« Tero antwortete nicht.
»Natürlich nicht. Bald kommen die Tests in Jerez«, redete Roni weiter. In seine Stimme schlich sich ein flehender Tonfall. »Lass uns doch erst mal abwarten.«
Tero biss die Zähne zusammen. Er hatte in der Tat vor vier Jahren seinen Stiefsohn vor einem Hafturteil bewahrt. Nächtelang hatte er damals mit Heli über das Schicksal des drogensüchtigen Valtteri diskutiert. Was sollten Eltern tun, wenn ihr Kind ein Verbrechen beging? Sollten sie ihm bis zum Ende Schutz und Stütze sein, auch wenn die ganze übrige Welt es fallen ließ? Und wenn ein Kind ein Verbrechen beging, nachdem es unter Anleitung seines Vaters Hormone geschluckt hatte, die nach weislich aggressives Verhalten und Gemütsschwankungen auslösten? Gehörte dann nicht auch der Vater ins Gefängnis?
Tero überlegte, was die Jurabücher, die er einst hatte lesen müssen, zu so einem Fall gesagt hatten. Noch wichtiger war, was die Rechtsphilosophie sagte. Nichts natürlich. Er musste sich auf seine Intuition verlassen, auf seine eigene Auffassung von Recht.
Was Jerez betraf, so verstand er Roni vollkommen. Seit in dem Jungen die
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