RENAS VERSPRECHEN (German Edition)
Wenn sie die Frei heit erlangen kann, können wir das eines Tages vielleicht auch. Wenn sie tapfer ist, können auch wir tapfer sein. O ja, von hier zu fliehen und mit dem Geliebten zusammensein. Davon träumen wir. Daran klammem wir uns. Es lä ss t die freie Welt für uns wieder Wirklichkeit werden. Es erinnert uns daran, was Freiheit war. Und dann macht es uns traurig.
„Die SS bestraft die Lager für Malas Flucht“, flüstern uns die Männer am Morgen zu, als sie den Teekessel bringen. „Die Gefangenen in Birkenau wurden gezwungen, vierundzwanzig Stunden lang Anwesenheitsappell zu stehen. Viele fielen vor Ermüdung um.“
Ich danke Gott, da ss wir nicht mehr in Birkenau sind.
Wir haben gerade die Wäsche aufgehängt, als Irma Grese wie der auftaucht. Diesmal kommt sie zu Fu ss und trägt eine Strandjacke. Ohne auch nur das leiseste Anzeichen des Wie- dererkennens tänzelt sie an uns vorbei, wirft eine Decke auf den Boden und fängt an, die Jacke über ihrem Badeanzug ab zulegen. Nervös kontrolliere ich die Kleidungsstücke, die im Wind flattern. Sie legt sich hin und fängt an, sich Arme und Beine einzucremen. Dankas Augen werden gro ss vor Unruhe. Dina geht zurück. Ich entferne mich zaghaft.
„Du da!“ Ich erstarre beim Klang ihrer Stimme. „Würdest du mir meinen Rücken eincremen?“
Ich bin schockiert. Nie hat jemand von der SS mich gefragt ob ich etwas tun kann, immer haben sie uns wie Sklaven her umkommandiert. Und nicht nur das, sie hat mich, eine Jüdin, gebeten, sie zu berühren! Ich gehe zu ihr, habe Angst etwas falsch zu machen, Angst ihre fantastische Haut zu berühren. Mit aller Kraft versuche ich meine zitternden Hände ruhig zu halten und verreibe zaghaft die Creme auf ihren Schultern und dem Rücken. Dann stehe ich auf, gehe zurück zu u nseren Wä scheleinen, der Sicherheitszone, dem Ort, von dem ich wei ss , da ss ich da hingehöre. Eifrig prüfen wir die Wäschestücke auf Feuchtigkeit, hantieren herum und denken nicht weiter nach, tun so, als würde uns die Anwesenheit der SS-Frau nicht aus der Ruhe bringen.
Ich erinnere mich:
Danka und ich wachen am Sonntag frühmorgens auf. Ma ma hat Käseplunder in einen kleinen Beutel für uns gepackt. Wir ziehen unsere Röcke an, um die Shorts darunter zu ver bergen, denn Papa verbietet uns, Shorts zu tragen. Sie kü ss t uns an der Tür, gibt uns unser Picknick mit und wünscht um viel Spa ss . Wir radeln in die Berge, bis wir an einen Flu ss kommen. Da ziehen wir die Röcke aus. Wir falten sie ordentlich zusammen und legen sie an einen Platz, wo sie nicht na ss wer den können, wenn wir im Wasser plantschen und sonnenbaden. Um die Mittagszeit packen wir Mamas Plundergebäck aus, das noch warm vom Ofen ist, vielleicht aber auch von der Sonne angewärmt, und essen es, während wir in der Sonne faulenzen.
Eine Welle von Heimweh dreht mir den Magen um. Wie sehr ich es vermisse, in den verbotenen Shorts dazuliegen und Ma mas hausgemachte Leckereien zu essen.
Aufseherin Grese sonnt sich den ganzen Nachmittag, zieht sich dann plötzlich an, legt ihre Decke zusammen und ver schwindet die Stra ss e hinunter. Wir schauen ihr nach, während wir schweigend die Wäsche in unsere Körbe legen, jede in ihre ganz privaten Gedanken versunken.
Der Morgentee kommt, und mit ihm die Neuigkeiten. „Ma la und ihr Geliebter sind gefa ss t worden.“ Die Gerüchte über schlagen sich im Lauf des Tages; jede flüstert über das Gesche hene. An diesem Abend sprechen wir, nachdem die Lichter aus sind, im Dunkeln über ihr Schicksal.
„Man hat sie erwischt, als sie in einem Restaurant beim Es sen sa ss en.“
„Sie hatten sich Zivilkleider angezogen, aber einer von der SS a ss dort und hat Mala erkannt.“
„Sie ist zu schön, um nicht erkannt zu werden.“
„Sie hätten nicht in Polen bleiben sollen.“
„Sie hätten das Land verlassen sollen.“
„Und wohin hätten sie gehen sollen?“
„Man wird sie hängen.“
„Zuerst wird man sie foltern.“
„Arme Mala.“ Mich schaudert unter meiner Wolldecke. Unsere Träume sind zerstört. [24]
Grese kommt oft zum Trockenplatz und bittet mich jedes Mal, ihren Rücken einzureiben, während sie Danka und Dina kei nes Blickes würdigt. Manchmal spricht sie mit mir, erzählt mir vom Krieg und erkundigt sich nach mir. Sie behandelt mich so ebenbürtig. Freundlichkeit ist man bei jemandem von der SS nicht gewohnt. Es ist nicht nur eine Seltenheit - es ist unmög lich. Ich wei ss nicht, was ich mit
Weitere Kostenlose Bücher