RENAS VERSPRECHEN (German Edition)
klar; als ich von ihnen weggehe. Jetzt habe ich noch drei Leute mehr, um die ich mir Sorgen machen mu ss - wie werden wir zurechtkommen? Danka ist natürlich die W ichtigste, aber wir sind mit diesen drei Mädchen aufgewachsen. Wenn wir einander nicht helfen, wer dann?
Es dauert ein paar Tage, bis ich die Kopftücher organisiert habe, aber schlie ss lich erklärt sich ein Mäd chen, das in Kanada arbeitet, bereit, mir vier Kopftü cher zu bringen. [14] Ich tausche sie gegen zwei Portionen Brot, eine von Erna und eine von mir.
Ich gebe Erna die Kopftüch er und erkläre ihr, was ich vorhabe. „ Du steilst dich am Morgen so dicht wie möglich an die Aufseherin des Nahkommandos. Sobald der An wesenheitsap pell vorbei ist, verteilst du sie an deine Schwester, an Dina und Danka, dann stellt ih r euch so schnell ihr könnt an.“
„Und was ist mit dir, Rena?“
„ Ich werde bei Emma arbeiten, um bei ihrer Gruppe die Tür offenzuhalten, falls es mit der Arbeit drinnen nicht klappt. Das ist schon in Ordnung. Ich bin in Sicherheit, wenn i ch auch im Freien arbeiten mu ss .“
Vier Uhr morgens.
„Raus!“ Raus!“
Danka steht neben Erna und Fela. Wir werden gezählt. Ich stehe weiter weg, zum ersten Mal während des Anwesenheitsappells von meiner Schwester getrennt. Es gefällt mir nicht, da ss sie nicht bei mir ist. Wir werden entlassen. Ich eile hin über zu Emmas Gruppe, ehe sie voll ist. In Birkenau heisst es überall, wer zuerst kommt, ma hlt zuerst. Ich stehe hinter Em ma und behalte das Nähkommando im Auge. Erna und Fela haben ihre Kopftücher auf, Di na trägt ihres. Danka sieht ver loren aus, sie hat kein Kopftuch auf. Meine Augen brennen sich in Ernas Hinterkopf. Wo ist Dankas Kopftuch? schreit es in meinem Kopf. Es nützt nichts. Danka wird wegge schickt. Sie sucht mich mit ihren Augen, aber es ist zu spät: Eine andere Aufseherin hat sie in ihre Gruppe geholt, und sie marschie ren los. Hilflos sehe ich zu, wie meine Schwester ohne mich zur Arbeit geht. Was habe ich getan? O Gott, was habe ich getan?
Den ganzen Morgen frage ich mich bei der Arbeit, ob meine Schwester wohl schon tot ist. Mittags bekomme ich meine Suppe kaum hinunter. Und mein Magen ist vor lauter Sorge wie zugeschnürt, da ss ich die zusätzliche Brühe gar nicht ge nie ss en kann. Ich vermisse einfach meine Schwester und wünschte, sie wäre hier, um sie mit mir zu teilen; ich wei ss , da ss sie heute nichts zu Mittag i ss t. Den ganzen Nachmittag hin durch versuche ich nicht daran zu denken, ob ich Dankas Lächeln und ihre wunderschönen Augen jemals Wiedersehen werde. Die Zeit, die es dauert, bis die Sonne über den Himmel gewandert ist, kommt mir unen dlich lang vor. Schlie ss l ich kommt von Emma der Befehl: „Halt!“
Wir stellen unsere We rkzeuge in den Schuppen und mar schieren ins Lager. Wir sind als erste zurück. Normal erweise sind wir froh, früh zurück zu sein, aber heute ist es eine Qual. In jedem hereinmarschieren den Kommando scheint es heute nur Tote und Verletzte zu geben, und sie sehen alle aus wie Danka. Meine Augen spielen mir Streiche, und mein Kopf spielt mit. In dem einen Kommando wird sie von zwei Mädchen getragen, den Körper voller Striemen u nd übel zuge richtet; in einem anderen humpelt sie und stützt s ich schwer auf jemandes Schulter. Schwach vor Hunger, verrückt vor Sorge glaube ich, da ss meine Schwester hundertmal gestorben ist. Dann sehe ich sie wirklich. Sie ist geschlagen worden, aber sie lebt. Ich kann nicht hinlaufen und sie umarmen, ich darf mich nicht rühren, bis wir alle gezählt sind, aber ich sehe sie, und sie lebt. Der Appell ist zu Ende und wir erreichen einander durch die Menge umherlaufender Mädchen, die ihren Blocks zustreben.
Ich halt e sie ganz fest, kann sie nicht mehr loslas sen. „Was ist passiert?“
„ Ern a hatte kein Kopftuch für mich.“
„ Was? I ch habe ihr vier Stück gegeben!“ Ich bin so wütend, als ich Erna entdecke, da ss ich kaum Her rin meiner Stimme bin. „ Warum hast du Danka das angetan? “, krächze ich.
„Ich habe vergessen, d a ss ich noch eins in der Ta sche hatte.“
„Erna, das ist hier kein Spa ss .“ Ich packe sie am Kragen, weil ich sie zur Vernunft bringen will. „ Danka ist heute fast zu Tode geprügelt worden.“
„ Es tut mir so leid!“ Sie weint.
„ Was hei ss t da leidtun? Ich habe mein Brot dafür her gege ben, da ss meine Schwester einen sicheren Platz zum Arbeiten ha t , wo sie sich nicht verausgaben mu ss , und du
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