RENAS VERSPRECHEN (German Edition)
kratzen den Wolle, spüre ich sofort Linderung.
„ Hier, nimm das auch. “ Erna händigt mir eine Unter hose aus. „ Das ist noch nicht alles. Wir werden auch Schuhe für Danka und d ich finden.“
„ Wie? “, möchte ich fragen, aber weil mir nichts Besse res ein fällt, nicke ich einfach meinen Dank und flüstere: „ Ich stehe in deiner Schuld. “ Wir verlassen die Latrine getrennt.
Ich kann kaum fassen, wie dieser winzige Luxus sich auf mein Aussehen, meine Stimmung auswirkt. Eine schmerzhafte Stelle weniger zu haben, bedeutet, auch an w eniger denken, sich um weniger s orgen zu müssen; mein Blickwinkel ist kla rer und ich bin aufmerksamer. Ich denke, dieser Büstenhalter hilft mi r ; meine Gesundheit zu bewahren.
Erna hat mit diesen Geschenken bezahlt, wa s sie Danka an getan hat, doch ich glaube, sie hätte uns das auch so gebracht, aus Freundschaft.
Schuhe zu bekommen ist viel schwieriger. Aber Erna findet einen Weg, und in jedem Schuh steckt eine Socke, damit wir keine Blasen bekommen und unsere Zehen gewärmt werden. Fast acht Monate lang haben wir barfu ss in Sandalen gearbei tet, und jetzt haben wir vermutlich November. Diese Schuhe verändern die ganze Welt. Sie bedecken unser e Fü ss e voll kom men, schützen sie vor den El ementen und den Ratten; sie ver leihen uns Halt, wärmen unsere Zehen und fallen uns im Morast nicht von den Fü ss en. Der einzige Nachteil ist, da ss sie sehr langsam trocknen. Wir können den Kanonenofen benützen, aber dann mü ss ten wir sie die ganze Nacht über bewachen, bis sie völlig trocken sind. Nach einer kurzen Zeit am Feuer ziehen wir sie wieder an und gehen zu Bett. Das Leder wird hart und steif, aber das ist ein geringer Preis, wenn wir dafür unse re Zehen behalten. Keiner, der jetzt noch Sandalen trägt, wird diesen Winter überleben. Au ss er zum Trocknen ziehen wir die Schuhe nie aus; würden wir s ie nur eine Sekunde unbeaufsicht igt lassen, hie ss e das Barfu ss gehen. Schuhe sind eine kostbare Ware. Danka und ich haben G lück, da ss wir so liebe Freundin nen wie Erna und Fela haben, die uns die Schuhe g ebracht ha ben, ohne dafür auch nur um ein Stück Brot zu bitten.
Dankas Depression bereitet mir Sorge. Es scheint ihr gleichgültig zu sein, ob sie ihre eigene Tasse Suppe bekommt. Da ist noch etwas anderes als die Angst vor den Kapos, die die Suppe verteilen. Sie wirkt so nieder gedrückt als gäbe sie jede Hoff nung auf ein Überleben auf, und diese Niedergeschlagenheit nagt ihr an der Seele. Sie ist abwesend; ihre Augen haben fast den ganzen Tag über diesen glasigen Blick. Ich glaube nicht, da ss sie allzu weit weg ist, aber ich wei ss , da ss ich etwas tun mu ss , ehe sie sich meinen Zugriff ganz entzieht. Meine Überlegungen, was ich gegen die mangelnde Zuversicht meiner Schwester unternehmen kann, führen mich letztendlich zu dem Entschlu ss , da ss es keinen anderen Weg gibt, als sie direkt an zusprechen.
Es ist schon spät. Alle anderen im Block schlafen unruhig.
„Danka“, flüstere ich ins Dunkel, „schläfst du schon?“
„Nein.“
„ Was beschäftigt dich denn? Etwas stimmt nicht, das wei ss ich. Warum bist du so traurig?“
„ Ich wei ss es nicht.“
„ Bitte sprich mit mir. Wie soll ich dir helfen, wenn ich gar nicht wei ss , was sich in deinem Kop f abspielt? Ich habe das Gefühl, du schreckst vor mir zurück. D u mu ss t mir sagen, was dir fehlt.“
„Was soll das alles?“
„ Meinst du Auschwitz-Birkenau? “ Ich bin verblüfft.
„A lles. “ Sie macht eine Pause. „ Was ist, wenn eine Selektion stattfindet, und ich zum Sterben be stimmt werde.“
„Warum sagst du so etwas?“
„ Du siehst besser aus als ich. Du verlierst nicht so viel an Gewicht und du bist immer noch kräftig. Was ist, wenn ich es nicht mehr schaffe? “ Langsam dämmert es mir.
„ Erinnerst du dic h noch an die zwei Schwestern?“ Ich neh me ihre Hand. „ Und wie die eine gebet telt hat, mit der ande ren gehen zu dür fen?“ Sie nickt in der Dunkelheit. „ Das werde ich au ch tun, wenn es soweit ist.“
„ Doch sie erlauben das ni cht immer. Das war die erste Se lektion. Sie waren nachsichtig. Wenn jetzt jemand bittet, mit der Mama oder Schwester oder Tochter mitgehen zu dürfen, lachen sie und sto ss en sie weg.“
„ Ich werde tun, was nötig ist, un d wenn ich die SS schlagen mu ss .“
„ Dann werden sie dich auf der St elle töten - das ist nicht gut.“
Da lauert noch etwas anderes hinter ihren Augen. Es ist
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