RENAS VERSPRECHEN (German Edition)
ausgesehen hat. Ich lege ihn langsam zusammen und ziehe dabei die Schultern auseinander, damit es keine Falten gibt. Das Schneideretikett strahlt mich an, wei ss er Satin auf dem lockigen schwarzen Pelz. Die Worte „ Jakob Schützer, Bar- dejov “ springen mir entgegen.
„Nein, o nein“, keuche ich, ehe ich mich fassen kam.
„Was ist los, Rena?“ Danka taucht gerade rechtzei tig ans ihrem Nebel auf, um zu sehen, da ss ich Tante Reginas Mantel zusammenlege.
Wo bleibt da die Gerechtigkeit? Wo sind sie? Wo sind Cili und Gizzy? Wo ist Ta n t e Regina? Wo ist Onkel Jakob? … Ich halte es hier nicht mehr länger aus. Als ich auf der Suche nach einer Erleichterung für das Entsetzen in meinem Herzen nach drau ss en sc haue, sehe ich ein en SS-Mann auf einer Leiter stehen . Er öffnet eine Kanne, gie ss t etwas in ein Loch und duckt sich dann schnell, als wollte er vermeiden, e in en üblen Geruch aus der Kanne einzuatmen.
„Was macht der Mann?“, frage ich skeptisch.
„Er füllt das Ga s ein“, zischt Erna. „Schau nicht hin.“
Ich kann es nicht glauben. Die Gerüchte über Gaskammern und Krematorien fallen m ir wieder ein und stürzen mich in die Dunkel heit. Sie sind also wahr? Ich sta rre und starre auf den Bew eis vor meinen Augen. Meine Tant e und mein Onkel könnten gerade jetzt da d ri nnen sein. Ich kann es sehen, aber ich kann es nicht akzeptieren. Was bedeutet das? Da ss auch mei ne Eltern jetzt da drin sein kö nnten und sterben?
Nein, sie sind sicher. Sie warten, da ss ich nach Hause komme. Ich sehe, wie Mama mir zuwinkt. Die Babuschka ruht noch immer auf ihrer Schulter. Sie ist weit weg, aber ich wei ss , da ss sie auf uns wartet. Ich komme, Mama. Geh nicht ohne mich. Ich habe Danka bei mir. Uns geht es gut.
Heftig zwinkernd zwinge ich mich zurück in die Ge gen wart. Als ich den Mantel meiner Tante zusam men binde, wün sche ich mir, ich könnte meinen Kopf darin vergraben und schluchzen; ich kämpfe die aufsteigenden Tränen nieder. Die Kleiderberge starren mich a n. Diese Mäntel und Kleider, An züge und Hüte hat man meinen Leuten weggenommen. Wo sind diese Menschen jetzt? Sind sie noch am Leben? Sind sie im Lager und tragen die gleiche Uniform wie ich? Sind sie tot oder sterben sie?
„ Wei ss t du , worum wir beten müssen, Rena?“ Ernas Stimme schneidet durch meine Gedanken.
„Worum denn?“ Rauch steigt aus den Kaminen am Hori zont.
„ Nicht, da ss wir da nicht reinkommen, sondern da ss sie ge nug Gas haben, wenn wir da drinnen enden, damit wir sterben und nicht bei lebe ndigem Leib in den Ofen müssen.“
„ O mein Gott, Erna, wir wollen hier nicht mehr arbei ten.“ Ich stelle mir die Schreie der Mütter, Kinder und Gro ss eltern vor, die zu nichts dahinschwinden, ein paar hundert Meter von dort entfernt, wo wir ihre Kleider Zusammenlegen, damit man sie nach Deutschland schickt und Reich sdeutsche sie anziehen können. „ Ich w ei ss nicht, wie du das aushältst“ , sage ich zu meiner Freundin.
Wir kommen aus demselben Dorf. Wie kommt es, da ss sie diese Barbarei spielend bewältigt, während ich mich abwenden und davonlaufen mu ss ? Ich respektiere ihre Nervenstärke, aber ich bin nicht so stark wie Erna . Ich kann nicht die Kleider zu sammenlegen, die der Frau meines Onkels gehörten, zusehen, wie das Gas in den Kamin strömt, ohne dabei innerlich wieder ein Stück zu sterben. Wenn meine Schwester und ich am Leben bleiben sollen, müssen wir einen anderen Weg suchen; diese Arbeit hier wird uns unsere Lebensgeister zerstören, wenn sie nicht vorher unseren Verstand zerstört.
Am nächsten Tag wartet Emma auf uns. Sie erwähnt mit keinem Wort, wo wir gestern geblieben sind. Wir stellen uns einfach an und nicken ihr zu. Sie stellt keine Fragen; Und wir tun so, als wäre nichts geschehen.
„ Rena. “ Erna deutet mit dem Kopf Richtung Latrine. Ich hebe leicht das Kinn an, um sie wissen zu lassen, da ss ich sie dort treffen werde. Kurz darauf stehen wir zusammen neben den Brettern mit den Löchern darin, die als Toiletten gedacht sind. Sie zieht unter ihrer Jacke ein Geschenk heraus und schiebt es mir in die Hand.
„ Das sollst du doch nicht, Erna. “ Aber sie holt schon das nächste aus ihrer Tasche. I n meinen Händen halte ich etwas, wovon ich seit Monaten träume - einen Büstenhalter. Ich ziehe ihn hastig an, ehe jemand aufmerksam wird, doch ich kann meine Seufzer nicht unte rdrücken. An meinen armen Brust warzen, verschorft und voller Blasen von der ständig
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