RENAS VERSPRECHEN (German Edition)
da ss sie es für sich selbst hortet oder uns aus Grausamke it vorenthält. Sie ist das leib haftig Böse und kostet jeden Augenblick aus, in dem sie uns Schmerz zufü gen kann, eine Sadistin, die sich in einer Welt von Opfer-Masochisten heimisch fühlt. Wir sind ihre per sönli chen Lakaien. Wird sie es nicht leid, uns zu mi ss brauchen? Nein, sie macht den ganzen Nachmittag weiter mit Schlagen, Vernichten, Zerstören — a ls wären w ir kleine Puppen. Ein Mädchen wird un glaublich zugerichtet, und dann lä ss t die Auf seherin, um das Ma ss an Grau samkeit voll zu machen, sie zer stört und leidend am Boden neben den Toten liegen, wohl wis send, da ss sie aushalten mu ss , bis man sie in die Gaskammer schleppt. Der Gnadentod ist hier unbekannt.
Als der Feierabend-Befehl ertönt, wird das verkrüppelte Mädchen gezwungen, mitzugehen, nur ein Mädchen darf ihr helfen. Ihr Wimmern und Stöhnen begleitet uns, als wir die Toten und Verwundeten zur ück ins Lager tragen: sechs Lei chen in zwölf Stunden.
Wie alle Aufseherinnen schlägt uns auch Emma, aber sie tut das nicht, weil es ihr Spa ss macht, sondern weil man es von ihr erwartet. Wenn SS in der Nähe ist, mu ss sie hart durchgreifen, aber sie schlägt nie jemand bis a ufs Blut und sie schlägt nie je manden zu Tode. Sie schlägt einen, wenn man faul ist oder etwas Dummes macht, und sie gibt einem einen Klaps, damit die SS nicht meint, da ss man bevorzugt wird, doch die einzigen Toten, die wir von der Arbeit nach Hause tragen, wurden von der SS getötet oder sind vor Hunger oder weil sie krank waren zusammengebrochen.
Ganz gleich, welche Fronarbeit uns auferlegt wird, Emma macht sie nicht noch schlimmer. Es gibt ein paar Konstanten im Lage r , und Danka und ich sind für Emma eine Konstante wie sie für uns eine ist. Wir drei sind Tag für Tag zusammen. Vielleicht ist Emma nicht gemein zu uns, weil sie uns kennt. Es sind jetzt so viele Gefangene hier, da ss immer neue Gesichter, neue Nummern kommen, doch wir gehören zu den Altein ge sessenen, stehen jeden Morgen vor ihr und tun unser Bestes, um zu überleben.
Erst nach der leidvolle n Erfahrung im Kommando der Mörderin wissen wir, welches Glück wir mit unserer heimlichen Verbündeten Emma haben. Nicht , da ss wir Freunde w ären, oder da ss sie irgend etwas au ss er der Reihe für uns täte - wir sind schlie ss lich Juden -, doch ich glaube, da ss in ihrem Herzen Platz ist für meine Schwester und mich. Darauf baue ich - worauf sonst könnte man sich hier verlassen? Es gibt so viel Ungewi ss heit. Durch Emma haben wir eine Sorge weniger.
Vier Uhr morgens.
„Raus! Raus!“
Beim Morgenappell sehe ich die aus Tylicz ver trauten Ge sichter von Erna und Fela Drenger und ihrer Cousine Dinta. Wir können uns nur zuwinken, ehe wir in Emmas Gruppe eilen, aber wir haben unsere besten Freundinnen aus Kinderta gen gesehen und arbeiten den ganzen Tag in der Hoffnung, sie am Abend wiederzusehen. Nach dem Abendapp e ll finde ich sie im Nachbarblock.
„Wann seid ihr angekommen?“ Wir fallen einander in die Arme.
„Vor ein paar Tagen“, sagt Erna zu mir. „ Wo ist Dan ka?“
„ Sie hält den Platz in unserem Block besetzt und ach tet dar auf, da ss uns keiner die Decke nimmt. Geht es euch gut?“
„ Wie es einem eben so geht. Dies hier ist die Höl le. Wie lange bist du schon hier?“
„ Von Anfang an. Ihr mü ss t sehr vorsichtig sein u nd immer auf der Hut“, warne ich sie. „ Ich werde euch zu helfen versuchen, wo ich kann, als erstes denkt da ran, die Kapos mit den grünen Dreiecken zu meiden. Die töten euch, weil es ihnen Spa ss macht. Ich werde versuchen, Danka bei den Wei ss en Hauben unterzubr ingen. Das ist ein Nähkommando.“
„ Der Winter wird schrec klich sein, wenn wir drau ss en ar beiten müssen, und dann noch in diesen Schuhen “ , bemerkt Erna.
„Ich werde für Danka und mich ein paar Kopftücher orga nisie ren“ , erzäh le ich ihr. „ Man braucht wei ss e Kopftücher, um ins Nähkom mando z u kommen. Ich werde euch drei geben, aber dafür mü ss t ihr etwas von eurem Brot abtre ten.“
„ Ganz wie du meinst, Rena. Du wei ss t das am bes ten.“
„I ch wei ss gar nichts, aber ich bin schon lange hier und habe ein paar Dinge gelernt. Wir sehen uns morgen oder in ein paar Tagen. “ Ich sage ihnen, in welchem Block sie uns finden können und gehe dann.
Die Gesichter von Freunden inmitten so vieler Fremder sind ein Trost, doch es ist auch eine Last. Das wird mir sofort
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