RENAS VERSPRECHEN (German Edition)
den von anderen gefangenen Frauen gehen Danka und ich verborgen in den Nebeln von Zion.
Als wir an Stibitz und Taube v orbeigehen, tun wir das mit dem Gesichtsausdruck, genau das zu tun, was uns befohlen wurde. Meine Fingernägel graben sich in Dankas Fleisch; ich lasse die Hand meiner Schwester n ic ht los. Wir gehen, über zeugt , da ss keiner uns aufhalten wird. Wir sind wichtig; man hat uns befohlen, zurück in die Sauna zu gehen. Das wieder hole ic h mir wieder und immer wieder. Kinn hoch, Augen nach vorne, nicht umgeblickt.
Die Entfernung scheint immer d ie gleiche zu bleiben. D ie Sauna kommt nicht näher. D ie Reihen der Gefangenen schei nen kein Ende zu nehmen. Unsichtbar wandern wir durch d ie Wüste von Birkenau.
Sekunden weiten sich zu Stunden, als unsere Fü ss e durch den Schlamm waten. Hocherhobenen Hauptes lassen wir unseren Weg nicht aus den Augen. Dankas Hand wird blau, weil ich s ie so fest drücke. Kinn hoch, A ugen nach vorne, nicht um geblic kt
Oh ne mich umzudrehen, öffne ich die Saunatür. Keine Stimmen hinter uns, d ie uns zum Stehen bleiben aufforde rn , keine Schüsse, die auf unseren Rücke n zielen. Nur der Anwesenheits appell, die Lebenssc h nur, die wir packen müssen, sobald wir unsere Kieider getauscht haben.
Wir betreten den Raum, schlie ss en hinter uns die Türe. Die Stille in der Sauna ist dicht wie Dampf.
„ Schnell, Danka. Wir müssen uns beeilen!“, flüs tere ich eindringlich. „ Zieh dich aus und gib mir dei ne Kleider, den Rest mache ich.“ Nachdem ich m ir die Uniform eines Versuchsop fer s vom Leib gerissen habe, durch wühle ich in Unterwäsche den Haufen abgelegter Kieider. Danka kann sich nicht rühren. Sie starrt mich an wie ein kleines, vor Angst regloses Tier, un fähig, mir zu helfen, als ich in den Kleidern nach ihrer Nummer wühle und unentwegt „2779, 2779 “ vor mir hersage. Gegen das Zittern meiner Hände bin ich hilflos, meine Nerven liegen blank.
Wir haben keine Zeit mehr. Unser Leben hängt davon ab, ob wir rechtzeitig zum Anwesenheitsappell zurück sind und gezählt wurden, ehe jeman d bemerkt, da ss wir im Sonderkom mando fehlen. Ich finde ihre Uniform und lege sie auf den Bo den.
Der Haufen scheint sich vervielfältigt zu haben, seit ich ihm den Rücken zugekehrt habe. Unkontrolliert zitternd grabe ich in den Kleidern nach dem einen unter fünfzig, das mir gehört. Abgesehen von den Nummern sind sie alle gleich - und wenn ich es übersehen habe, als ich das von Danka gesucht habe? Wenn es nicht mehr da ist? Schlie ss lich entdecke ich den Ärmel 1716. Ich stopfe die neuen Kleider und die Schürzen unter den Haufen alter Uniformen und laufe zu Danka.
„ Kannst du deine Arme heben? “, frage ich sie sanft. Ihre Ar me fliegen hoch, ic h ziehe ihr d as alte läuseverseuchte Sacklei nen über die Arme und den Kopf. Meine Finger zittern, als ich ihre alte Uniform zuknöpfe, die Nummer 2779 da, wo sie hin gehört. Schaudernd ziehe ich mir dann selbst den Trost der Anonymität über den Kopf. Die Nummer, die ich so sehr geha ss t habe, ist nun mein Zufluchtsort, mein einziges Bindeglied ans Leben.
Ich mache die Türe auf und spähe vorsichtig nach drau ss en. Die SS ist noch eine Reihe weit weg, kommt in unsere Rich tung. Uns bleiben noch ein paar Minuten. Ich schlie ss e die Tür - halte den Atem an, warte, bis sie vorbei sind.
„Fertig?“ I ch warte nicht auf eine Antwort, schiebe Danka vor mir her und in die ordentlichen Fünferreihen. „Bitte schlie ss t auf“ , flüs tere ich den Mädchen um uns herum zu. „ Bitte rückt ein Stück. Macht Platz. “ Keine drängt uns zurück, keine fängt Streit an. Die Reihen der unglückseligen Frauen, von denen wir abhängen, bewegen sich lau tl os wie Wasser, saugen uns auf, bis wir eins mit den Reihen sind. Die SS geht geht unsere Reihe ab. Wir halten unseren Atem an.
Sie gehen an uns vorbei. Wir sind gezählt worden.
Der Appell ist zu E nde, und Emma wartet auf uns. Ic nicke ihr zu, als Danka und ich uns in ihrem Kom mando auf stellen. Sie zieht eine Braue hoch, a ls sie uns sieht, ic h glaube, auch ihr Mund geht leicht nach oben, bin mir nicht sicher; ich wei ss nur; es ist ein gutes Gefühl, bei Emma in Sicherheit zu sein. Trotz der Herbstkälte in der Luft bin ich dankbar, im Freien zu graben und zu bauen, anstatt in Mengeles Händen zu sein. Es tut gut, die kalte Luft zu spüren, am Leben zu sein.
Danka verharrt ein paar Tage lang in einem Nebel. Alles, was sie tut, geschieht
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