RENAS VERSPRECHEN (German Edition)
schalt Mama mich freundlich . „ Schau dir deine Hände an! Fa ss nichts an. Geh und wasch es schn ell ab. Die Farbe gibt Flecken.“
„ Wofür ist das , Mama?“
„ Es sorgt dafür, da ss der Kaffee mild wird und nicht mehr so im Magen brennt; Papa schmeckt er so am bes ten.“
Ich kann in der Nachtluft frisch aufgebrühten Kaffee rie chen.
Ein vertrautes Rot hat meine Finger gefärbt. Ich starre andauernd darauf und lege dann das kostbare Papier gefaltet in die Reste meines Kle tdersaums. „Dank dir, Mama. “ Ich kehre wieder zu den Blöcken zurück.
Ich zwinge mich zu schlafen, indem ich mir einrede, ich mu ss frisch sein für jede Aufgabe, die uns gestellt wird. Anfangs ist der Schlaf unruhig, dann tief, bis ich die Geräusche drau ss en, die Schreie, die Sc hüsse nicht mehr wahrnehme. Vie le, die für morgen keine Hoffnung mehr sehen, werden es auch bei Mondschein riskieren, den Zaun zu erreichen, und morgen wird die SS ein paar Todeskandidaten weniger zu selektieren haben.
Vier Uhr morgens.
„Raus! Raus!“
Der Morgen kommt zu früh. Es gibt keinen Tee. Furcht hat sich dick wie Nebel auf unser Lager gelegt. Die Toten, die wir jeden Morgen hi naustragen, haben mir immer Leid getan, heu te sehe ich das anders; sie sind im Glück der Bewu ss tlosigkeit dahingegangen. Die Körper am Zaun stimmen mich normalerweise traurig, aber heute respek tiere ich sie für ihre Entschei dung, den Nazis ihre heimliche Freude zu stehlen. Hier ist es eine Gnade, wenn du selbst deinen Tod in der Hand hast.
Es regnet, schüttet manchmal, dann wieder tröpfelt es, als könnte der Himmel sich nich t entscheiden. Aber das Selekti onsteam hat keine Probleme, sich zu ent scheiden. In Fünferrei hen stehen wir stundenlang in der Lagerstra ss e. Die Reihen ziehen sich über die gesamte Länge des Lagers. Der morgendliche Regengu ss geht in ein Nieseln über. Die Mittagszeit geht ohne jede Suppe vorüber - es macht keinen Sinn, Leute zu füttern, die sterben werden. ln ihren glänzenden Stiefeln und gebü gel ten grauen Reithosen stehen die SS-Offiziere da wie Götter des Universums, deren Daumen den Weg zum Tod und den Weg zum Leben weisen, stehen vor ihresgleichen und urteilen über unsere Minderwertigkeit.
Taube und Stibitz wandern die Reihen ab.
„Elende Mistbienen!“, schreit Stibitz. „ Ihr Schei ss juden , runter auf die Knie!“
Ich bekomme eine Gänsehaut. Ich werfe Danka einen warnenden Blick zu.
Taube wendet sich unserer Reihe zu. „ Kniet nie der!“ Ich ziehe sie auf die Erde. Seine Keule schwingt in die Kniekehlen eines Mädchens, die nicht wei ss , da ss sie vor ihm niederknien soll. Ihr Schrei durchschneidet die Luft. Selbstgefällig zieht er mit seiner Kohorte weiter. Unsere Knie schmerzen. Wir regen und rühren uns nicht. Wir knien, ohne zu schwanken.
Taubes Gesicht glüht. Er genie ss t seine Macht. „ Gesicht auf den Boden. Alle. Köpfe runter! “
Wir lassen uns bäuchlings zu Boden falten. Für diesen Teil der Übung braucht Danka keine Vorwarnung, wir haben oft genug gesehen, wohin Taubes Version der Liegestütze führt .
„ Auf! Ab! “ Die Gesichter auf dem Boden, sto ss en wir unsere hinfälligen Körper in die Luft und wieder auf den Boden, solange er es befiehlt.
„ Auf! Ab!“ Ich wei ss nicht , wie viele Liegestützen wir machen müssen, mein Gehirn setz t aus, solange mein Körper in Bewegung ist.
„Halt!“, schreit Taube. Wir brechen auf der Erde zu sam men. „Nicht rühren!“
Bitte la ss das Mädchen neben mir nicht den Kopf he ben, be te ich. Taube entfernt sich von uns und geht ans Ende unserer Reihe. Ich versuche nicht auf die Geräusche zu hören, die jetzt mit Sicherheit folgen werden. Sie warten nicht mehr auf die Entschuldigung, da ss eine den Kopf hebt, um ihr das Gehirn zu zermalmen. Sie wählen einfach den Schädel aus, der ihnen gefällt, und zertreten ihn, ehe sie zu ih rem nächsten Opfer wei tergehen.
Das Warten ist unzumutbar, das Entsetzen unbeschreiblich. Meine Augen starren auf den Boden, graben Löcher in Schlamm und Dreck, verankern meinen Blick in der Erde. Wir atmen kaum. Es dauert ewig. Endlich entlas sen sie uns von unseren „Übungen“ . Wir helfen einander beim Aufstehen und vermeiden den Blick auf die Kör per, die sich nicht mehr erhe ben werden.
Wir schlie ss en auf, machen einen Bogen um diejenigen, die Taubes Übungen nicht kannten, diejenigen, die von einem Fu ss selektiert wurden anstatt von einem Daumen. Wir rücken den SS-Gött
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