RENAS VERSPRECHEN (German Edition)
wir fünfzig polnische Nichtjüdinnen ersetzen. Man hat sie zurück ins polnische Lager von Birkenau geschickt, weil die Polen, die in der SS-Küche arbeiten, den Mädchen heimlich Essen zukommen lie ss en. Dies e Mädchen tun mir leid, aber zu gleich bin ich dankbar für diese Chance im Leben.
An unserem ersten Morgen im Stabsgebäude werden uns die neuen Arbeitsbereiche zugewiesen. Unsere Blockälteste ist Deutsche, und ihr Dreieck ist rot: Sie ist eine politische Gefan gene. Bei politischen Gefangenen kann man eher mit Freund lichkeit rechnen, weil sie wegen ihrer Kritik am Dritten Reich gefangen genommen wurden. Unsere Freundin Mania wird zur Schreiberin des Blocks erwählt und ist Marias rechte Hand. Manias Schwester Lentzi kommt in das Nähzimmer. Janka, die wir von Auschwitz her kennen, ist bei der Handwä sche. Sie ist verantwortlich für Waschen und Bügeln der emp findlichen Kleidungsstücke der weiblichen Offiziere. Sie bringt diese Kleider auch in die Quartiere der SS-Frauen, und sie ist Marias Liebling, weil sie so jung ist.
Die einzigen, die nicht zurück nach Birkenau geschickt wur den, sind die Sekretärinnen von Politischen; sie haben Glück gehabt. Man hat sie, als sie ins Lager kamen, gleich am Bahn steig ausgewählt, und die meisten haben nie in Birkenau ge lebt. Edita ist die einzige mir bekannte jüdische Aufsicht im Lager und Vorgesetzte aller Sekretärinnen. Aranka, die ich vom Sehen her aus Bratislava kenne, ist eine der Schreibkräfte. Es geht das Gerücht um, da ss die SS-Wachen stehenblieben, als sie vom Transport kam und zum Rasieren und Desinfizieren gebracht wurde, um sie anzustarren - so schön ist sie.
Es gibt noch immer einen Anwesenheitsappell, aber jetzt haben wir ein Dach über dem Kopf, und es müssen nur hun dertfünfundzwanzig Mädchen gezählt werden. Am ersten Morgen in diesen himmlischen Gefilden wird der Appell im Flur vor unserem Schlafbereich, gegenüber der Wäscherei durchgeführt. Es ist nicht vier Uhr morgens, als sie uns wecken, sondern fünf Uhr. Wir dürfen eine ganze Stunde län ger schlafen, und der Appell findet nicht stundenlang in Regen und Schnee statt und dauert nicht einmal eine halbe Stunde. Auch müssen wir nicht ein, zwei Kilometer zu unserer Arbeit laufen; nach ein paar Schritten sind wir in der Wäscherei.
„Hier werdet ihr arbeiten.“ Maria weist uns ein, wie die Wäscherei zu führen ist. „Während der Arbeit werdet ihr diese Schuhe tragen, eure stellt ihr auf dieses Regal.“ Die Schuhe, die uns gezeigt werden, sind aus Holz und haben einen Rie men über den Rist, wie die, die wir gleich anfangs in Ausch witz trugen. „Hier ist das hei ss e Wasser, mit dem ihr waschen werdet.“ Sie zeigt uns einen riesigen Kessel auf einem Kohle herd, der bereits dampft. Es gibt Bottiche mit Waschbrettern darauf und körbeweise schmutzige Wäsche.
Aufseherin Bruno betritt die Wäscherei, um uns in Augen schein zu nehmen. Wir stehen auf der Stelle gerade. Sie hat ei nen strengen Blick und tritt förmlich und militärisch auf. Sie zeigt auf ein Mädchen. „Du bist für das Wasser im Kessel ver antwortlich und sorgst dafür, da ss die Kohlen brennen.“
So beginnen wir unseren ersten Tag in der SS-Wäscherei. Der Steinfu ss boden ist kalt, und das Wasser spritzt uns an Wa den und Knie. Wir schrubben lange Unterhosen und Unter hemden auf unseren Waschbrettern, reiben sie kräftig, um die Flecken zu entfernen. Es ist harte Arbeit - in Auschwitz-Bir kenau wird einem nichts geschenkt -, doch wir sind drinnen. Es flie ss t so viel Wasser in den Abfluss, da ss er überläuft. Wenn wir durch das Wasser waten, sehen wir eher nach Fischerinnen als nach Putzfrauen aus. Dann legen wir die nassen Kleidungs stücke in die Körbe, und jemand trägt sie fort.
„Halt! Anwesenheitsappell!“ Wir verlassen die Wäscherei, stellen uns im Flur auf, wo wir gezählt werden und ein Stück Brot bekommen, bevor wir in unser Schlafquartier gehen. Die Portion scheint grö ss er zu sein als in Birkenau. Wir bekommen eine Scheibe Wurst, sie ist klein, aber willkommen. Nach die sem ersten Tag schmerzen unsere Beine entsetzlich, aber keine beklagt sich; es gibt keine Hunde, keine SS-Männer, die uns gnadenlos prügeln, keine plötzlichen Todesfälle.
Ich massiere mir die Waden, ehe ich mich zum Schlafen hin lege. Ich frage mich, ob so viel Wasser gut für sie ist, und ma che mir Sorgen, da ss sie anschwellen oder sich entzünden. Ich suche meine Haut nach Schürfungen oder Schnitten
Weitere Kostenlose Bücher