RENAS VERSPRECHEN (German Edition)
antworte ich mit leiser Stimme.
„Ihr alle drei?“ Der Mann scheint sich zu freuen, da ss wir Polinnen sind.
„Ja, wir sind polnische Jüdinnen.“ Ich würde der Person, mit der ich spreche, gerne mein Gesicht zuwenden, aber das ist unmöglich. Ohne mein Kinn zu bewegen, schiele ich seitwärts.
„Ich bin Schauspieler, aus Warschau. Ich hei ss e Stasiu. Hal tet morgen genau hier an, und ich werde euch ein Stück Wurst zuwerfen.“ Gerade als er sich vom Küchenfenster wegbewegt, erhasche ich einen Blick auf sein Gesicht Er ist alt, wenigstens für Auschwitz - er mu ss in den Vierzigern sein. Wir nehmen unseren Schritt wieder auf, als wäre nichts geschehen.
Am nächsten Tag halten wir vor der SS-Küche an, gerade als das Fenster aufgesto ss en wird. Danka und Dina tauschen die Plätze, während ich eifrig die Wäsche ordne und eine Ver tiefung schaffe. Ein Päckchen landet genau im Korb, und ich decke es zu. Mit Herzklopfen nehmen wir die Wäsche wieder auf und gehen weiter unseren Weg. Während Dina und Dan ka im Stabsgebäude die Wäsche ausladen, verschwinde ich mit dem Päckchen und verstecke es unter unserer Matratze. Dabei hoffe und bete ich, da ss keiner mich erwischt. Wir warten, bis es dunkel ist, und als dann alle schlafen, teilen wir das Stück
Wurst, das Stasiu uns mitgegeben hat, durch drei und lassen es uns schmecken.
Ein Männerkommando arbeitet auf einem Feld nahe der Nu delfabrik, und mir fällt auf, da ss einer von ihnen an mir gro ss es Interesse zu haben scheint. Er sieht ziemlich gut aus. Wir tau schen heimlich Blicke aus. Danka und Dina sind zur Wäsche rei zurückgegangen, um ein paar Kleidungsstücke zurückzu bringen, die schon trocken sind, und um einen weiteren Korb mit herauszunehmen, während ich auf die Unterwäsche der SS aufpasse.
„Woher kommst du?“, fragt der Mann, als sein Aufseher verschwunden ist.
„Aus Tylicz.“ Ich hänge ein paar lange Unterhosen auf.
„Warschau.“ Er arbeitet. Ich arbeite. „Wie alt?“
Ich mu ss einen Augenblick nachdenken. Habe ich schon zwei Geburtstage im Lager verbracht? Sie sind unbemerkt ver strichen. „Dreiundzwanzig“, antworte ich. Mehr Worte trauen wir uns nicht zu wechseln.
Am nächsten Tag nicke ich Danka und Dina zu, damit sie ihn sehen können. Danka starrt ihn an und lächelt zaghaft. Wir hängen die Wäsche auf und versuchen so zu tun, als gä ben wir nicht viel um ein Gespräch - falls man die über ein Feld ausgetauschten Wortfetzen Gespräch nennen kann.
„Ich hei ss e Marek.“ Seine Stimme dringt durch die Beine der langen Unterhosen.
„Rena“, antworte ich und glätte dabei eifrig die Falten der bereits aufgehängten Unterhemden.
Danka kommt zur Wäscheleine. „Danka. Ich bin Renas Schwester.“
„Dina.“ Dina und Danka hängen gemeinsam etwas auf. Ei ne leichte Brise erfa ss t die Wäschestücke und spielt mit ihnen in der Luft. Der Kontakt ist hergestellt, Namen wurden ausge tauscht. Es sind Momente wie diese, die uns das Gefühl ver mitteln, zu leben. Es gibt noch ein lebendiges Wesen, das wei ss , da ss wir hier sind; es hilft sehr, mit jemandem von au ss erhalb unseres eigenen engen Gefängnisses reden zu können. Die flatternde Wäsche gibt mir einen freundlichen Klaps.
Wir hängen Wäsche zum Trocknen auf, als mir auffällt, da ss zum ersten Mal ein Fenster im obersten Stock der Nudelfabrik aufgeht und eine Packung Nudeln herunterkommt. Keiner ist zu sehen, keinem können wir danken; es ist eine stille Geste. Rasch decken wir sie mit der Wäsche zu, die bereits im Korb liegt, und schmuggeln sie in unser Quartier. Mit klopfendem Herzen betreten wir den Block.
„Janka“, flüstere ich unserer jungen Freundin zu, „wir ha ben was zu essen. Kannst du einen Topf Wasser organisieren und ihn nach dem Appell auf die Kohlen stellen?“
Janka zwinkert mir zu. Sie nickt. Jeden Abend bleiben Koh len im Ofen der Wäscherei, auf dem wir kochen können, wenn wir etwas Entsprechendes finden und aufpassen, nicht erwischt zu werden. Geduldig warten wir den Appell ab, ver suchen, nicht herumzuzappeln, versuchen, unseren wässrigen Mündern und knurrenden Mägen Einhalt zu gebieten. Wir ge hen in den Schlafraum, nehmen unser Stück Brot und teilen es. Nachdem wir die Hälfte gegessen haben, legen wir uns hin und täuschen Schlaf vor. Tiefer werdende Atemzüge und Schnarchgeräusche dringen durch das Dunkel.
Ich tippe Danka an. Geräuschlos wälzen wir uns aus dem Bett und gehen auf Zehenspitzen zur
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