RENAS VERSPRECHEN (German Edition)
Türe. Wir sind die ersten, die im Waschraum am Herd eintreffen. Ich leere den Inhalt der Tüte in das sprudelnde Wasser. Wir sitzen und warten. Die Tür zum Waschraum öffnet sich einen Spalt breit. Verstohlen wie eine Katze schlüpft Janka herein, dann Deborah, Mania und Lentzi, Aranka und ein paar andere. Wir sind unglaublich aufgeregt. „Ich habe ein bi ss chen Salz ergattert“, sagt ein Mädchen und schüttet es in den dampfenden Topf. Trotz der Gefahr, in der wir schweben, lächeln wir. Wir sitzen um den Kanonenofen und schauen zu, wie es im Topf kocht. Es dauert ewig. Der Boden, auf dem wir sitzen, ist kalt, aber wir warten trotzdem.
Ich nehme meinen Löffel, um eine der Nudeln zu kosten. „Fertig“, flüstere ich meinen Mitverschworenen im Dunkeln zu. Ich verteile die Nudeln gerecht auf ihre wartenden Becher, es sind, wie ich meine, genau fünf E ss löffel für jedes Mädchen, und gie ss e dann hei ss es Wasser darauf, so da ss jede etwas be kommt. Danka und mir gebe ich zuletzt. Die anderen warten, bis wir alle bedient sind, dann verzehren wir in schweigender Einmütigkeit die warmen, nahrhaften Makkaroni. Wir lassen uns Zeit. Keiner drängt uns zur Eile, und so verweilen wir bei jedem Löffel, als nähmen wir am festlichen Abendessen im Haus einer wohlhabenden Familie teil. Das Nudelwasser schmeckt köstlich. Es schmeckt nach zu Hause.
Aranka nickt Danka und mir zu, ehe sie sich über den Flur zurück zu ihrem Bett schleicht. Langsam und lautlos leert sich der Waschraum von seinen heimlichen Bewohnern. Janka ver staut den Topf, damit keiner ihn am Morgen findet, und ge meinsam gehen wir auf Zehenspitzen zurück zu unseren Bet ten. Unsere Mägen knurren nicht mehr, hungrig sind sie immer noch.
Dina und Danka sind in die Wäscherei zurück, um neue Stücke zu holen. Ich stehe Wache und habe die Kleidung und Mareks Arbeitsgruppe gleicherma ss en im Blickfeld. Er wirft mir einen Stein mit darumgewickelter Nachricht zu. Es sind nette Kleinigkeiten: Du bist ein hübsches Mädchen. Schade, da ss wir nicht in einer freien Welt leben, aber vielleicht werden wir ja eines Tages frei sein...
„Wie viele Freunde hast du gehabt?“ Seine Stimme bahnt sich ihren Weg übers Feld.
„Viele“, sage ich und versuche mich daran zu erinnern, wie man flirtet, dann tut es mir leid, da ss ich ihn angelogen habe. Es ist keine schlimme Lüge. Ich hatte drei Freunde; das ist schon viel. „Zwei Wochen, bevor ich hierherkam, hätte ich heiraten sollen.“ Ich klammere zwei Unterhosen und ein Paar Socken an die Leine. Als ich wieder zu Marek hinschaue, dreht er mir den Rücken zu - sein Kapo ist in der Nähe.
Marek ist nicht jeden Tag drau ss en, und ich vermisse ihn, wenn er keine Worte zu mir herüberschmuggelt oder sein Le ben riskiert, um mir eine Nachricht zu schicken.
Als der Winter kommt, wird es drau ss en bitterkalt. „Meint ihr; ich sollte Aufseherin Bruno fragen, ob wir zum Arbeiten bessere Kleidung bekommen können?“, will ich von Dina und Danka wissen, als wir im Schneetreiben Wäsche aufhängen.
„Ich habe Angst vor ihr“, sagt Danka. Sie stampft mit den Fü ss en, um warm zu werden.
„Ich habe auch Angst vor ihr, aber wir sind jetzt schon eini ge Zeit hier, und es fängt an zu schneien. Wir müssen unser Glück versuchen. Es ist zu kalt für uns, ohne Handschuhe und Jacken zu arbeiten.“ Ich reibe meine Hände, um sie wieder be wegen zu können und die Klammern abzunehmen.
„Du mu ss t das auf deine Kappe nehmen, ich bekomme bei ihr Puddingknie.“ Es steht also fest. Ich werde an Aufseherin Bruno mit unserem Anliegen herantreten, sobald ich den Mut dazu habe. Es braucht ein paar Tage.
„Aufseherin Bruno?“ Vor lauter Nervosität plappere ich drauflos. Ihr schwarzes Haar und ihr scharf geschnittenes Ge sicht machen mir Angst, ihre blauen Augen sind ernst und se hen aus, als könnten sie gemein werden, aber ich mu ss weiter reden. „Ich würde gerne Meldung machen, da ss es auf dem Trockenplatz jetzt ziemlich kalt wird. Könnte ich für mich und die beiden Mädchen, die mir helfen, wärmere Kleidung be kommen?“
„Ja, ich werde das in die Wege leiten“, antwortet sie. „Ich hole euch nach dem Appell.“ Sie entlä ss t mich. Wie ein Affe bleibe ich mit offenem Mund zurück. Ich kann mein Glück nicht fassen. Sie ist überhaupt nicht gemein.
Wie versprochen nimmt uns Aufseherin Bruno am nächsten Morgen nach dem Appell mit in ein anderes Gebäude. Sie führt uns hoch zu einem
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