RENAS VERSPRECHEN (German Edition)
Speicher, wo wir uns mit Röcken, dicken Strümpfen mit Gummibändern, um sie oben zu halten, Jacken, Stiefeln und Handschuhen eindecken. Ich nehme mir eine schwarz-wei ss karierte Jacke, ein Männerhemd und einen Wollrock, und versuche nicht daran zu denken, woher diese Kleidungsstücke kommen. Ich sage mir aber, da ss es besser ist, wenn wir diese Kleider anhaben, als da ss sie weggeschickt wer den, um deutsche Körper zu wärmen. Auf diese Weise sind wir für drau ss en richtig ausstaffiert, sehen bis auf die weissen Kreu ze auf den Rücken unserer Mantel und unserer auf die linken Ärmel genähten Nummern ganz wie Menschen aus.
Mareks Gruppe arbeitet flei ss ig den ganzen Tag über. Wir ha ben keine Gelegenheit, miteinander zu reden, aber endlich kommt er in meine Richtung und wirft mir einen Stein zu. Die Worte zwischen uns müssen wir uns stehlen, tun dabei, als würden wir arbeiten, für den Fall, da ss einer von der SS uns aus dem Fenster der Nudelfabrik beobachtet oder sie auf ihren Fahrrädern die Stra ss e entlanggeradelt kommen.
„Hast du jetzt einen Freund?“, steht auf der Notiz. Ich schüttle den Kopf - nein.
Am nächsten Morgen wird unser Gespräch fortgesetzt. „Hattest du mit deinen Freunden auch intime Beziehungen?“
„Nein.“ Er wird mich noch ganz verlegen machen, wenn er weiterhin solche Fragen stellt.
„Du bist noch Jun gfrau?“ Er hört fast zu arbeiten auf. Er schaut mich an, als wäre ich ein Phantom.
„Ja!“, flüstere ich stolz. Er erstickt fast vor Lachen; er bemüht sich, weiterzuarbeiten, schüttelt sich aber vor Lachen.
„Ich komme aus Warschau, wo mir nie eine Jungfrau be gegnet ist.“ Er mu ss gehen, um sich wieder zu fangen.
„Ich glaube, du übertreibst!“ Ich verstecke mich in der Wä sche, mein Gesicht ist hei ss wie ein Bügeleisen. Männer! Ich be schlie ss e, ihn den Rest des Nachmittags zu ignorieren.
Ich entziehe mich seinen Blicken, indem ich rasch die Wä sche aufhänge und mich hinter die langen Unterhosen ducke, die in der Wintersonne bleichen.
Flei ss ig grabend kommt er näher. „Da bist ja rot gewor den!“ Wie beim Versteckspiel höre ich seine Stimme über die Leinen, ich schüttle den Kopf und gehe weiter, hänge ein Unterhemd zwischen sein Gesicht und meins.
„Wir sind hier in Auschwitz, und du bist verlegen?“, sagt er lachend.
Ich lächle insgeheim, erlaube ihm aber nicht zu sehen, da ss auch mich dieser Gedanke belustigt. Nach allem, was wir durchgemacht haben, nach allem, was wir gesehen haben, bin ich noch immer gehemmt.
„Ich bin froh, da ss ich dir etwas gegeben habe, worüber du lachen kannst.“
„Das glaubt keiner“, sagt er. „Warte nur, bis ich wieder im Block bin – eine Jungfrau von dreiundzwanzig Jahren!“
Am nächsten Nachmittag wirft er mir die dritte Nachricht zu. Ich stecke sie in den Saum meines Rocks und warte mit dem Lesen aufgeregt bis nach dem Appell. Auf dem Bett sitzend, lese ich: „Als ich fünfzehn war, verlor ich meine Unschuld. Ich traf in einem öffentlichen Schwimmbad eine verheiratete Frau, die mich bat, in ihre Wohnung mitzukommen. Sie hat mich eingeführt.“
„Er übertreibt!“ Danka kichert.
„Was soll ich morgen tun, wenn er da ist?“ Wir ersticken unser Gekicher unter den Decken und versuchen einzuschlafen. Ich kann es kaum erwarten, ihn wiederzusehen, aber ich bin zu schüchtern, ihn anzuschauen.
In unseren neuen Kleidern lä ss t sich das Wetter besser aushal- ten. Die Handschuhe helfen uns ganz entschieden, die Wäsche aufhängen zu können, aber manchmal weicht der Regen uns bis auf die Haut durch. Es kommt mir so lächerlich vor, im strömenden Regen zu stehen und auf Wäsche aufzupassen, aber uns bleibt nichts anderes übrig. Neidisch werfe ich einen Blick auf das Vordach über dem Hintereingang zur SS-Küche; wenn wir dort stehen dürften, wären wir nach einem Tag im Regen oder Schnee nicht ganz so na ss .
„Soll ich Aufseherin Bruno fragen, ob wir uns dort bei schlechtem Wetter unterstellen können?“, frage ich.
„Warte noch eine Woche, Rena“, schlägt Danka vor.
„Das ist eine gute Idee. Wir haben jetzt erst die Kleider be kommen, wir wollen nicht, da ss sie denkt, wir würden sie aus nutzen.“ Der Beschlu ss steht fest, doch mir ist bang, sie nochmal um etwas zu bitten.
„Aufseherin Bruno? Ich möchte Meldung machen.“ Ich stehe vor der SS-Frau, die so unnahbar aussieht.
„Jah?“ Sie sieht mich halb interessiert an, als wäre ich mehr als
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