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Renate Hoffmann

Renate Hoffmann

Titel: Renate Hoffmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Freytag
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Konferenzzimmer. Und in diesem Moment fiel es ihr schwer sich einzureden, dass Herr Hofer nicht der Typ für derartiges Verhalten war. Denn er war auch nur ein Mann. Kein Mann bei Verstand hätte eine Renate Hoffmann einer Caitlin Connelli vorgezogen. Frau Hoffmann wusste das. Und doch fügte ihr der Gedanke an Herrn Hofer und Frau Connelli körperliche Schmerzen zu.
     
Kapitel 18  
    Frau Hoffmann starrte in die Tiefe. Das kleine Etikett des schwarzen Kostüms juckte entsetzlich zwischen ihren Schulterblättern. Das hatte es damals schon getan. Den ganzen Tag hatte es gejuckt. Kurz spielte sie mit dem Gedanken, es herauszuschneiden, entschied sich dann jedoch dagegen. Die paar Minuten würde sie den Juckreiz einfach ignorieren. Frau Hoffmann überlegte, ob sie einen Abschiedsbrief hinterlassen sollte, doch dann entschied sie sich dagegen. Erstens gefiel ihr die Vorstellung, dass ohne Abschiedsbrief ein Kapitalverbrechen nicht sofort auszuschließen wäre und zweitens gab es niemanden, von dem sie sich hätte verabschieden wollen.
    Für einen kurzen Augenblick dachte Frau Hoffmann an ihre Schwester. Sie hatte sie seit vielen Jahren nicht mehr gesehen. Das letzte Mal auf der Beerdigung. Frau Hoffmann hatte es damals schlichtweg unverschämt gefunden, dass sie es gewagt hatte dort aufzutauchen. Sie hätte nicht kommen dürfen. Nicht nach allem, was geschehen war.
    Frau Hoffmann zündete sich eine Zigarette an. Inzwischen mochte sie den herben Geschmack des Tabaks, jedoch nicht so sehr, dass sie es bereute nicht schon früher mit dem Rauchen angefangen zu haben. Während sie den Rauchschwaden hinterher schaute, die sich langsam in den schwarzen Himmel schlängelnden und sich schließlich in der Dunkelheit verloren, versuchte sie sich an das Gefühl zu erinnern, das sie empfunden hatte, als sie vor ein paar Wochen auf diesem Balkon gestanden hatte. Sie wollte sich auf ihren Sprung vorbereiten. Doch ständig schlichen sich Gedanken über Caitlin Connelli ein, die es Frau Hoffmann unmöglich machten sich auf ihr Vorhaben zu konzentrieren. Frau Hoffmann beschloss daher, ein letztes Mal zu Herrn Peters in die Wohnung zu schauen. Sie dachte, es wäre ein schöner letzter Akt, einen Menschen zu beobachten, der so vollkommen zufrieden zu sein schien. Doch Herr Peters war nicht zu Hause.
    Erstaunt schaute Frau Hoffmann auf die Uhr. Es war 21:34. Um diese Zeit war Herr Peters für gewöhnlich immer zu Hause. Es ärgerte sie, dass er nicht da war. Dieser Ärger wurde von der plötzlichen Angst verdrängt, Herrn Peters könnte etwas zugestoßen sein. Frau Hoffmann versuchte sich zu beschwichtigen, dass er gewiss nur bei einem wichtigen Geschäftsessen sei und dass es ihm bestimmt gut gehe. Dennoch quälte sie der Gedanke, dass er vielleicht eben doch nicht bei einem wichtigen Geschäftsessen war und es ihm vielleicht nicht gut ging. Was, wenn ihm etwas zugestoßen war? Für einen Außenstehenden mag das seltsam klingen, doch Herr Peters war Frau Hoffmanns einziger Freund, der einzige Mensch, an dem ihr wirklich etwas lag, auch wenn er nicht einmal wusste, dass sie existierte.
    Um sich abzulenken wanderte Frau Hoffmann mit ihrem Fernglas zur Wohnung der fassungslosen jungen Frau, die sie neulich Abend beobachtet hatte, einen Tag bevor sie zum ersten Mal den Traum mit dem verdorbenen Fleisch gehabt hatte. In ihrem Wohnzimmer brannte Licht, doch es schien leer. Erst auf den zweiten Blick entdeckte sie sie. Auch sie stand auf ihrem Balkon. Und ohne sich erklären zu können warum, wusste Frau Hoffmann augenblicklich, warum sie dort stand. Vielleicht wusste Frau Hoffmann es deswegen, weil sie aus demselben Grund auf ihrem stand.
    Die junge Frau schien das nicht geplant zu haben. Sie trug weder ein schwarzes Kostüm, noch rauchte sie eine letzte Zigarette. Sie schien aus einem Impuls heraus zu handeln, was Frau Hoffmann für sehr gefährlich und unbedacht hielt. Die junge Frau stützte sich auf dem Geländer ab und stemmte sich hoch. Für einen kurzen Moment dachte Frau Hoffmann daran, ihre Zigarette über die Brüstung zu werfen und sich im selben Moment wie die junge Frau in die Tiefe zu stürzen. Die Tatsache, dass zwei Frauen am selben Abend aus zwei gegenüber liegenden Plattenbauten sprangen, würde die Beamten der Kriminalpolizei ganz ohne jeden Zweifel irritieren. Frau Hoffmann dachte an Herrn Peters und daran, dass er vielleicht einen schweren Unfall gehabt hatte. Sie dachte an Herrn Hofer und an Caitlin Connelli. Und für

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