Renate Hoffmann
überschwemmte das Zimmer, das eben noch so warm und hell gewesen war. In diesem Augenblick schienen sie sich alle dasselbe zu wünschen, nämlich, dass Herr Walter seinen Posten behalten solle. Alles schien besser, als für diese Halbgöttin arbeiten zu müssen.
„Wie Herr Walter schon erwähnt hat, heiße ich Caitlin Connelli“, sagte die elfenhafte, junge Frau. Frau Hoffmann fand im Grunde schon den Namen affig. Doch sie sagte nichts. Stattdessen betrachtete sie die neue Chefin, die niemals ihre Chefin werden würde. „Ich bin in München geboren und aufgewachsen“, sagte sie sanft. Ihre Stimme war ebenso perfekt wie ihr Körper und ihr Gesicht. „Meine Eltern kommen aus Irland, daher der englische Name“, fuhr sie fort. Frau Hoffmann hörte ihr nicht zu. Es interessierte sie nicht, was diese Frau zu sagen hatte. Zum ersten Mal schien es so, dass Frau Hoffmann und ihre Kolleginnen sich einig waren. Für so eine Frau zu arbeiten schien absolut unmöglich. Nicht in hundert Jahren würde Frau Hoffmann die direkten Anweisungen einer Mitte zwanzigjährigen entgegennehmen. Geschweige denn befolgen. Frau Hoffmann musterte Caitlin kindlich neugierig. Caitlin hatte große blaue Augen. Kindchenschema. Ihre Wimpern waren lang und dicht. Sie hatte relativ helle Haut, ihre Wangen waren zart gefärbt. Bestimmt Rouge, dachte Frau Hoffmann. Ihre Lippen waren perfekt. Selbst Frau Hoffmann musste sich das eingestehen. Dieser Mund schien wie eine Welt voller Geheimnisse. Eine Lustgrotte für die Sinne. Ihr rotes Haar fiel in weichen Locken über ihre zierlichen Schultern. Sie glänzten fast schon aufdringlich, wenn es nach Frau Hoffmann ging. Caitlin Connelli hatte den Körper, für den sie meisten Frauen augenblicklich töten würden. Sie hatte die Proportionen, sie hatte die richtige Größe, sie hatte die richtigen Beine. Alles an ihr war schön. Alles an ihr war besser, als an jeder der anderen anwesenden Frauen. Und dieses Wissen legte sich wie flüssiges Blei auf die gesamte weibliche Belegschaft.
Kapitel 17
„Ich hoffe jedenfalls, dass wir gemeinsam zu guten Ergebnissen kommen werden“, sagte Frau Connelli. Sie strahlte in den überfüllten Raum. „Mir ist klar, dass es nicht einfach sein dürfte mich als neue Vorgesetzte zu akzeptieren, zumal einige von Ihnen schon viele Jahre hier arbeiten und vielleicht denken, dass sie diesen Posten mehr verdient hätten als ich.“ Frau Hoffmann schaute sich unter den Mitarbeitern um. Viele schienen genau das zu denken. „Ich kann Ihnen versichern, dass ich nicht einfach so hier gelandet bin“, fuhr sie fort. „Ich bin qualifiziert für diesen Job.“ In Frau Connellis Stimme lag eine Bestimmtheit, die Frau Hoffmann beeindruckte. „Ich habe hart gearbeitet und ich bin gut in dem, was ich tue.“ Aus den hinteren Reihen war unverkennbar unterdrücktes Kichern zu hören. „Und damit meine ich nicht meine Fähigkeiten im Bett“, sagte Caitlin Connelli lächelnd. Bei diesem Satz leuchteten die Augen der Männer, die Gesichter der Frauen schienen von so viel Direktheit merklich überrascht. „Sie finden vielleicht, dass ich zu jung bin, und vielleicht finden Sie auch, dass ich zu gut aussehe, um auch noch intelligent zu sein“, sie stütze sich auf der blankpolierten Tischplatte ab. „Mag sein, dass ich jung bin, das ändert nichts daran, dass man mich für diese Stelle ausgewählt hat...“ Die Stille war bedrohlich, sie war greifbar und aufreibend. „Man hat mich für diese Stelle besetzt. Mich. Und keinen von Ihnen...“ In manch einem Gesicht spiegelte sich Entsetzen. „Entweder Sie können sich mit den neuen Umständen abfinden, oder Sie können es nicht.“
„Und was genau soll das heißen?“, fragte eine eher unscheinbare Frau aus der dritten Reihe.
„Das könnte zum einen bedeuten, dass Sie gehen müssen“, antwortete Frau Connelli gelassen, „oder aber, dass ich gehen muss...“ Die unscheinbare Frau nickte verunsichert. Sie schien zu hoffen, dass die zweite Möglichkeit eintreten möge. „Das würde aber nicht viel ändern“, fuhr Connelli fort. „Denn wenn Sie gehen, kommt ein Ersatz, und wenn ich gehe kommt ein Ersatz.“ Sie lächelte selbstsicher. „Und das bedeutet nicht, dass einer von Ihnen dann meinen Platz übertragen bekäme.“ Frau Connelli schaute sich um. In ihrem Gesicht war etwas, das Frau Hoffmann imponierte, und es waren nicht ihre ebenmäßigen Gesichtszüge. „Machen Sie sich nichts vor“, sagte Connelli trocken, „Man
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