Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rendezvous im Hyde Park

Rendezvous im Hyde Park

Titel: Rendezvous im Hyde Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Quinn
Vom Netzwerk:
sehr wie Melodramen.
    „Kann ich Ihnen helfen?", fragte er, nachdem sie auf seinen Gruß nicht geantwortet hatte.
    „Nein", sagte sie und schüttelte rasch den Kopf. „Tut mir leid. Ich gehe gleich wieder. Ich kann wirklich nicht..." Sie sah ihn an und schluckte.
    Kannte sie ihn? Sie sah aus, als hätte sie ihn erkannt. Vielleicht sah sie ihm auch einfach nur an, was er war, ein Lebemann, mit dem sie besser nicht allein sein sollte. Diese Reaktion konnte er ihr nicht vorwerfen.
    Er kannte sie nicht, dessen war er sich sicher. Er vergaß so gut wie nie ein Gesicht, ihres hätte er sogar ganz bestimmt nicht vergessen. Sie war auf eine wilde Art schön, beinahe als gehörte sie hier auf die Heide. Ihr Haar war dunkel und vermutlich lockig, die wenigen Strähnen, die sich aus ihrer Frisur gelöst hatten, ringelten sich in ihrem Nacken. Sie sah aus, als lachte sie gern, sie hatte schelmische Lippen, selbst jetzt noch, da sie offenbar durcheinander und verlegen war.
    Vor allem aber wirkte sie ... warm.
    Seine Wortwahl verblüffte ihn selbst. Er konnte sich nicht entsinnen, dieses Adjektiv je in diesem Zusammenhang verwendet zu haben, nicht bei einer vollkommen Fremden. Aber sie sah warm aus, als wäre sie ein warmherziger Mensch, als wäre ihr Lachen warm und ihre Freundschaft ebenfalls.
    Und im Bett... na, da wäre sie auch warm. Nicht dass er das in Betracht zöge. Bei aller Wärme strahlte sie doch vor allem Jungfräulichkeit aus. Was bedeutete, dass sie tabu für ihn war.
    Dass er sich für sie gar nicht erst interessierte. Überhaupt nicht. Mit einer Jungfrau konnte er nicht einmal befreundet sein, denn irgendwer würde sicher irgendetwas missverstehen oder missdeuten, und dann gäbe es Beschuldigungen oder, schlimmer noch, Erwartungen, bis er sich in irgendeiner Jagdhütte in Schottland wiederfinden würde, wo er hoffte, alles hinter sich zu lassen.
    Sebastian wusste, was er zu tun hatte. Er wusste immer, was er zu tun hatte. Die Schwierigkeit - seine Schwierigkeit zumindest - lag darin, es auch zu tun.
    Er könnte sich erheben wie ein Gentleman, ihr die Richtung zum Haus weisen und sie wegschicken. Das könnte er tun, aber würde es ihm auch Spaß machen?

    Als die Leiche „Guten Abend!" sagte, musste Annabel sich dem düsteren Schluss stellen, dass die Gestalt am Boden bei Weitem nicht so tot war, wie sie sich das erhofft hatte.
    Für den Mann freute sie sich natürlich, also, weil er nicht tot war und so, aber was sie selbst anging, so war seine Untotheit unglaublich lästig.
    Lieber Gott, hätte sie gern gestöhnt, das hat mir an diesem Abend gerade noch gefehlt.
    Sie lehnte sein Hilfsangebot ab, auch wenn es höflich vor-getragen wurde, und rappelte sich irgendwie auf die Füße, ohne sich weiter zu blamieren.
    „Was führt Sie auf die Heide?", erkundigte sich der nicht tote Kerl im Plauderton, als unterhielten sie sich stattdessen wohlanständig und gesittet auf einem Kirchhof.
    Sie starrte auf ihn hinunter. Er lag immer noch auf der Decke - der Decke! Er hatte eine Decke? Das verhieß nichts Gutes.
    „Warum wollen Sie das wissen?", hörte sie sich fragen.
    Was für sie Beweis dafür war, dass sie sich vom gesunden Menschenverstand vollkommen verabschiedet hatte. Natürlich hätte sie um ihn herumgehen und zum Haus zurücklaufen sollen. Oder über ihn drübersteigen. Oder auch auf ihn drauf. Vor allem aber hätte sie sich nicht auf ein Gespräch einlassen sollen. Da wäre sie sogar lieber in das Liebespaar hineingelaufen - das wäre ihrem Ruf sicher nicht so gefährlich geworden, als wenn sie mit einem Fremden auf der Heide ertappt worden wäre.
    Wenn er allerdings plante, sie anzugreifen und ihr Gewalt anzutun, schien er es damit nicht sonderlich eilig zu haben.
    Er zuckte nur mit den Schultern und meinte: „Ich bin eben neugierig."

    Sie warf ihm einen kurzen Blick zu. Er kam ihr nicht bekannt vor, doch es war ja dunkel. Und er klang, als wären sie einander vorgestellt worden. „Kenne ich Sie?", fragte sie.
    Er lächelte geheimnisvoll. „Ich glaube nicht."
    „Sollte ich Sie kennen?"
    Da lachte er und sagte entschieden: „Gewiss nicht. Aber das heißt ja nicht, dass wir kein reizendes Gespräch miteinander führen können."
    Daraus schloss Annabel, dass er ein Wüstling und sich dessen vollauf bewusst war, also gewiss keine passende Gesellschaft für eine unverheiratete Dame. Sie sah zum Haus hinüber. Sie sollte gehen. Ja, wirklich.
    „Ich beiße nicht", versicherte er ihr. „Auch sonst

Weitere Kostenlose Bücher