Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rendezvous im Hyde Park

Rendezvous im Hyde Park

Titel: Rendezvous im Hyde Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Quinn
Vom Netzwerk:
charmant bin?"
    „Nein." Wieder schien sie ein Lächeln zu unterdrücken.
    „Sagt das wirklich jemand zu Ihnen?"
    „Ah. Hin und wieder. Meine Familie natürlich nicht."
    Diesmal lächelte sie tatsächlich. Sebastian war geradezu lächerlich erfreut.

    „Aber der gehe ich ja auch sehr gern auf die Nerven."
    Sie lachte. „Dann sind Sie sicher nicht das älteste Kind."
    „Warum sagen Sie das?"
    „Weil wir es hassen, anderen auf die Nerven zu gehen."
    „Achja?"
    Sie blinzelte überrascht. " Sie sind doch der Älteste?"
    „Der Einzige, fürchte ich."
    „Ach, das erklärt die Sache."
    Dieser Parade konnte er nicht widerstehen. „Bitte klären Sie mich auf."
    Sie wandte sich ihm ganz zu, offenbar lebhaft am Gespräch interessiert. Ihre Miene war vielleicht eine Spur herablassend, doch ihm gefiel der listige Ausdruck in ihren Augen.
    „Nun", begann sie, und das so wichtigtuerisch, dass er spätestens jetzt gewusst hätte, dass sie tatsächlich die Älteste war. „Als Einzelkind sind Sie ohne Gesellschaft aufgewachsen und haben den Umgang mit Gleichaltrigen nie richtig gelernt."
    „In der Schule war ich aber schon", wandte er milde ein.
    Sie winkte ab. „Trotzdem."
    Er wartete einen Augenblick ab und wiederholte: „Trotzdem?"
    Sie blinzelte.
    „ Sie haben doch bestimmt noch mehr auf Lager."
    Sie dachte einen Augenblick nach. „Nein."
    Wieder wartete er einen Moment, und diesmal fügte sie hinzu: „Warum, sollte ich?"
    „Anscheinend nicht, wenn Sie das älteste Kind und groß genug sind, Ihre Geschwister zu Brei zu schlagen."
    Sie riss die Augen auf und brach dann in Gelächter aus, ein herrlich kehliges Geräusch, das nicht im Mindesten melodisch war. Miss Winslow lachte nicht elegant.
    Er fand das wunderbar.
    „Ich habe niemanden zusammengeschlagen, der es nicht verdient hätte", erklärte sie, sobald sie sich beruhigt hatte.
    Er stimmte in ihr Gelächter ein. „Aber, Miss Winslow", sagte er und setzte eine ernste Miene auf, „ wir sind uns gerade erst begegnet. Wie kann ich wissen, dass ich in derlei Dingen auf Ihr Urteilsvermögen vertrauen kann?"

    Sie grinste ihn frech an. „Das können Sie nicht."
    Sebastians Herz tat einen gefährlichen Satz. Er konnte den Blick nicht von ihrem Mundwinkel abwenden, die Stelle mit dem Grübchen. Sie hatte herrliche Lippen, voll und rosa, und er hätte sie recht gern noch einmal geküsst, jetzt, wo er Gelegenheit bekommen hatte, sie bei Tageslicht zu begutachten.
    Er fragte sich,ob es sich anders anfühlen würde, wenn er beim Kuss ein korrekt koloriertes Abbild vor seinem inneren Auge hätte.
    Er fragte sich, ob es sich anders anfühlen würde, jetzt, wo er ihren Namen kannte.
    Nachdenklich legte er den Kopf schief, als könnte er sie durch diese Bewegung noch schärfer sehen. Irgendwie konnte er das, und er erkannte, dass es sich tatsächlich anders anfühlen würde.
    Besser.
    Die Ankunft seines Vetters samt Frau bewahrte ihn davor, über die Bedeutung dieser Erkenntnis nachdenken zu müssen. Harry und Olivia betraten die Loge mit rosa Wangen und leicht zerzaustem Haar, und nachdem sich alle begrüßt hatten, nahmen die nicht mehr ganz frisch Vermählten in der letzten Reihe Platz.
    Sebastian lehnte sich zufrieden auf seinem Platz zurück.
    Er war zwar nicht mit Miss Winslow allein, in der Loge saßen sechs andere Leute, ganz zu schweigen von den Hunderten von Zuschauern im Publikum, aber sie waren allein in ihrer Reihe, und für den Moment reichte ihm das.
    Er sah sie an. Sie linste über den Rand der Loge; in ihrem Blick lag Aufregung. Sebastian versuchte sich daran zu erinnern, wann er das letzte Mal eine solche Vorfreude gesehen hatte. Seit er aus dem Krieg zurückgekehrt war, hielt er sich in London auf, und die Bälle, die Opernaufführungen, die Affären waren für ihn Routine geworden. Natürlich genoss er das alles, aber er konnte nicht behaupten, dass er etwas hatte, auf das er sich wirklich freute.
    Sie wandte den Kopf, sah ihn an und lächelte.
    Bis jetzt.

    Annabel hielt den Atem an, als die Lichter im Royal Opera House gelöscht wurden. Auf diesen Abend freute sie sich, seit sie in London eingetroffen war, und konnte es kaum abwarten, ihren Schwestern zu Hause davon zu berichten. Aber jetzt, als sich die Vorhänge hoben und eine merkwürdig kahle Kulisse offenbarten, erkannte sie, dass sie sich nicht nur wünschte, die Vorstellung möge atemberaubend sein, sondern es geradezu brauchte.
    Denn wenn die Aufführung nicht umwerfend war, nicht so war,

Weitere Kostenlose Bücher